In Dr. Westerwelles Fußstapfen

FDP An diesem Samstag will die FDP auf ihrem Parteitag in Köln die heiße Phase des NRW-Wahlkampfs einläuten. Zu Besuch beim Stammtisch der Jungen Liberalen in Bonn

■ Die FDP und ihr Parteichef Guido Westerwelle bleiben auch kurz vor Beginn des Bundesparteitags am Wochenende im Umfragetief. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die FDP auf acht Prozent, wie die Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-„Politbarometer“ ermittelte. Westerwelle ist Schlusslicht auf der Beliebtheitsskala der zehn wichtigsten Politiker.

■ Steuerentlastungen trotz der hohen Verschuldung Deutschlands halten laut dem „Politbarometer“ nur noch 33 Prozent für richtig. Lediglich die Anhänger der FDP sprechen sich mehrheitlich für Steuererleichterungen aus. (apn)

AUS BONN BERND KRAMER

Lucas Zurheide wandelt in Guido Westerwelles Fußstapfen. Der 21-Jährige hat sich an der Bonner Uni für Jura eingeschrieben, genau wie einst Guido Westerwelle. Und wie Guido Westerwelle in den 80ern ist der Student Lucas Zurheide heute Chef der Bonner Jungen Liberalen. Der Student lächelt und sagt Sätze wie Guido Westerwelle: „Der Leistung muss wieder eine größere Bedeutung beigemessen werden in diesem Land.“ Oder: „Die Debatte um Hartz IV war überfällig.“ Ein FDPler wie aus dem Bilderbuch.

Bonn ist ein liberaler Hotspot. Als Direktkandidat hat Guido Westerwelle hier bei der Bundestagswahl 19 Prozent der Erststimmen bekommen. Vor genau 30 Jahren hat Guido Westerwelle hier die FDP-Jugendorganisation mitbegründet. Wer sich vor dem FDP-Parteitag an diesem Wochenende bei den Bonner Jungliberalen umhört, darf kaum ein böses Wort gegen den Vorsitzenden erwarten.

Kölsch und Cola

Die umstrittenen Steuerpläne, der Wirbel um Westerwelles Reisedelegationen, der Absturz der FDP in den Umfragen – all das wirkt weit weg beim Stammtisch der Jungen Liberalen im Café Amadeo. Rund 20 JuLis sind an diesem Abend gekommen. Die Stimmung ist gut. Kölsch und Cola stehen auf dem Tisch.

Jungliberaler Axel Stammberger, 24, verteidigt sogar die umstrittene Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers. „Es steckt ja eine Idee dahinter“, sagt er. „Für Tourismusregionen an der Grenze ist das durchaus eine sinnvolle Förderung.“ Von einem Fehlstart der neuen Bundesregierung will er nicht sprechen. „Definitiv nicht.“

Lucas Zurheide sitzt am Tisch neben seiner Stellvertreterin Franziska Müller-Rech, 24, und auf die miesen Umfragewerte angesprochen, fällt beiden sofort ein Spruch von Walter Scheel ein. Sie schauen sich kurz an, Franziska hat das Bonmot am schnellsten parat: „Aufgabe eines Politikers ist es nicht, das Populäre zu tun, sondern das Richtige zu tun und es populär zu machen.“

Zehn Prozent plus x in NRW

Es ist eine verkehrte Welt, schließlich sind es gerade die populären Versprechen, mit denen sich die FDP unbeliebt macht. Laut neustem ZDF-„Politbarometer“ wollen 61 Prozent der Deutschen keine weiteren Steuersenkungen. „Viele Menschen sehen eben nicht, dass man Steuersenkungen gerade dann braucht, wenn die Wirtschaft wieder anlaufen soll“, meint Franziska.

Und noch ein Beispiel: Begabte Studenten sollen künftig ein höheres Stipendium unabhängig vom Einkommen der Eltern bekommen, eine Lieblingsidee von NRW-Spitzenkandidat Andreas Pinkwart. Doch selbst Stipendiaten kritisieren diese Pläne als unsoziale Klientelpolitik. „Ein Stipendium sollte eben nicht nach Bedürftigkeit, sondern nach Leistung vergeben werden“, kontert Lucas.

An diesem Samstag soll auf dem Parteitag in Köln die heiße Phase im NRW-Wahlkampf eingeläutet werden. Lucas wird auch dabei sein. „Es ist schön, dass Dr. Guido Westerwelle wieder hier im Rheinland ist“, sagt er. Wenn die Jungliberalen von ihrem Parteipersonal sprechen, gehören akademische Titel dazu. Warum auch nicht? „Da kann man doch stolz drauf sein“, findet Lucas.

„Aufgabe eines Politikers ist es nicht, das Populäre zu tun, sondern das Richtige zu tun und es populär zu machen“

FRANZISKA MÜLLER-RECH, VIZECHEFIN DER BONNER JULIS, ZITIERT WALTER SCHEEL

Dass die FDP gern einen Schlag zu grell daherkommt, diesen Eindruck will hier niemand teilen. „Dr. Guido Westerwelle“ hat zehn Prozent plus x als Wahlziel für NRW ausgegeben – was man als durchaus gewagt bezeichnen könnte. Axel Stammberger hält es dennoch für realistisch. „In NRW ist auf jeden Fall noch viel Bewegung drin.“ Er hofft, dass von verunsicherten CDU-Anhängern einige Prozente für die FDP abfallen. Rüttgers’ Avancen an die Grünen dürften schließlich so manchem Konservativen Bauchweh bereiten.

Wahlkampf als Nebenjob

Die Grünen scheinen zum Angstgegner zu werden. Wahlkämpferin Franziska Müller-Rech hat einen Stapel Postkarten mitgebracht, fast so hoch wie das schlanke Kölschglas. Am nächsten Morgen will Franziska die Zettel vor einem Bonner Gymnasium verteilen.

„Diese Schule wird geschlossen, wenn die Grünen mitregieren“, prangt auf den Karten. Auf der Rückseite schreibt „Prof. Dr. Andreas Pinkwart“ ein Grußwort, in dem er vor der „Einheitsschule“ warnt. Selbst bei Schwarz-Grün seien „unsere Gymnasien nicht mehr sicher“, so Pinkwart. Siehe Hamburg. Es ist seltsam: Die FDP tritt plötzlich als letzte Verteidigerin des gegliederten Schulsystems auf.

Infostände, Flugblätter, Parteitag: Für Franziska, Lucas und Axel ist der Wahlkampf fast ein Nebenjob. Westerwelle-Nachfolger Lucas will dennoch kein Profipolitiker werden. „Ich sage zu gerne meine eigene Meinung“, meint er. „Und nicht das, was meine Partei hören will.“