Der Entwurf Hoffnung

SOZIALPROJEKT In Neukölln präsentieren arbeitslose Jugendliche ihre eigene Modekollektion. Sie hoffen auf einen Job – die Modebranche muss es nicht sein

Junge Mädchen mit Kopftüchern filmen mit ihren Handys

Dennis Odebrecht blickt nach links. Klick. Nach rechts. Klick. Dann wirft er sich seine cremefarbene Lederjacke über die Schulter. Der Fotograf drückt ab: Klick, klick, klick. Fast wie auf einer echten Modeschau – wären da nicht die Rolltreppen. Und vieles andere reichlich Unglamouröse.

Kaufhausmusik plärrt durch die Etagen von Karstadt am Hermannplatz: „Do you really want to hurt me?“ Der Charme der 80er-Jahre ist dauerpräsent: Im Untergeschoss arbeiten sich ältere Frauen durch Wühltische. Im Angebot: Blusen, darauf Melonen, die aus Strasssteinen zusammengesetzt sind: „Summerfruits“. Die Damenoberbekleidungsmode wird hier mit „adrett, topmodern und trendig“ umschrieben.

In der zweiten Etage werden normalerweise Gardinen verkauft, Tischwäsche und Heimwerkerzubehör. An diesem Montagvormittag jedoch präsentierten arbeitslose Jugendliche hier ihre eigene Modekollektion. Ihre Schau ist fern von Glanz und Glamour. Auch werden die Klamotten – überwiegend Kaputzenpullover und schicke Damenkleider – nie bei Karstadt zu kaufen sein. Dennoch: Für die Jugendlichen ist es der „Entwurf Hoffnung“.

Die „Projektagentur“ hat die Veranstaltung organisiert, sie ist eine gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung von Bildung. Das Jobcenter hat die 26 Jugendlichen in die Maßnahme der Projektagentur vermittelt. Die Jugendlichen lernten dort das Schneidern und Nähen. Das soll ihnen helfen, den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu schaffen.

Nach Dennis Odebrecht ist Iman El-Jamal an der Reihe. Die Modelposen hat sie drauf. Sie stützt die Hände auf die Taille, kehrt die Ellbogen nach außen und blickt selbstbewusst ins Publikum. Egal dass der Catwalk kaum zehn Meter lang ist. Egal dass der Bodenbelag wie grüner Kunstrasen aussieht. Junge Mädchen mit Kopftüchern haben ihre Handys gezückt und nehmen Videos auf. Ungefähr 30 Zuschauer stehen am Rand.

Gleich neben dem Catwalk steht Heinz Buschkowski (SPD), Bezirksbürgermeister von Neukölln. Klassisch gekleidet mit gelber Krawatte und goldumrandeter Brille. Er lobt die Jugendlichen: „Neukölln ist der Bezirk der jungen Modemacher.“ Auch der Geschäftsführer der Projektagentur, Burkhardt Sonnenstuhl, ist überzeugt: „Vielleicht ist das der Beginn einer Karriere.“ Dabei geht es nicht darum, alle Jugendlichen in der Modebranche unterzubringen. Sie sollen lernen, im Team zu arbeiten, und ihre Deutschkenntnisse aufbessern. „Auch Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit sollen vermittelt werden“, sagt Natascha Mbaye. Die 44-jährige Designerin hat die Jugendlichen betreut.

Dennis Odebrecht kann sich vorstellen, als Modedesigner zu arbeiten: „Eine Modewerkstatt wäre toll“, sagt der 23-Jährige. Iman El-Jamal war zu Anfang nicht am Schneidern interessiert, jetzt ist sie bereits das zweite Jahr im Projekt: „Ich hoffe, dass ich nach der Maßnahme einen Ausbildungsplatz finde“, sagt sie. Bis Mitte Mai wird die Mode der Jugendlichen in einem Schaufenster bei Karstadt ausgestellt. LAURENCE THIO