Potsdam: eine von 28 Taten

Von Backnang bis Rügen. Rechtsextreme haben an Neujahr zugeschlagen, an Fasching und an Ostern: 28 Taten zählt die taz seit Jahresbeginn 2006

VON GEORG LÖWISCH,
SASCHA TEGTMEIER
UND BRIGITTE MARQUARDT

Großkugel, Sachsen-Anhalt, 1. Januar: Am Neujahrsmorgen greifen vier mit Baseballschlägern Bewaffnete ein Paar aus Burkina Faso an. Die beiden retten sich zur Polizei, die sie nach Hause bringt. Am Mittag tauchen die Angreifer bei ihren Opfern zu Hause auf, zusammen mit weiteren Jugendlichen. Sie rufen „Deutschland den Deutschen“ und werfen Bierflaschen. Eine Nachbarin wird an der Stirn verletzt. (Quelle: Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt)

Gräfenhainichen, Sachsen-Anhalt, 1. Januar: Sechs junge Rechtsextreme schlagen kurz nach dem Jahreswechsel mit Holzknüppeln und Bierflaschen auf zwei Vietnamesen ein. Die 31 und 43 Jahren alten Vietnamesen tragen Blutergüsse und Schnittverletzungen davon. Die Angreifer flüchten, als Passanten einschreiten. In der Wohnung eines Tatverdächtigen beschlagnahmt die Polizei Maschinengewehr- und andere Munition, Schwarzpulver sowie rechtsextremistische Musik-CDs. (dpa/Polizei)

Dranske/Rügen, Mecklenburg-Vorpommern, 1. Januar: In den frühen Morgenstunden beschießt eine Gruppe von ungefähr 20 Rechtsradikalen die Bewohner eines Flüchtlingsheimes mit Silvesterraketen und brüllt Sprüche wie „Ausländer raus“ und „Sieg Heil“. Einer der Rechten verletzt einen Armenier mit einer Bierflasche im Gesicht. (Ostsee-Zeitung)

Teterow, Mecklenburg-Vorpommern, 1. Januar: 30 Rechtsradikale greifen eine Gruppe indischstämmiger Einwanderer mit Knüppeln, Pistolen und Reizgas an, die auf dem Markplatz Silvester feiern. Die Opfer ziehen sich in ein Restaurant zurück, das die Rechten belagern und zu stürmen versuchen. (Ostsee-Zeitung)

Pömmelte, Sachsen-Anhalt, 9. Januar: Fünf junge Männer überfallen einen 12 Jahre alten Jungen. Sein Vater stammt aus Äthiopien. Der Junge wird verprügelt und erniedrigt: Seine Peiniger, zwischen 14 und 19 Jahre alt, drücken eine Zigarette auf seinem Kopf aus, bedrohen ihn mit einer Schusswaffe und lassen ihn ihre Springerstiefel ablecken. Mit schweren Kopfverletzungen liegt er über eine Woche im Krankenhaus. Zwei Monate später erhebt die Staatsanwaltshaft gegen vier Beschuldigte Anklage wegen Körperverletzung, versuchter schwerer Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Das Opfer verlässt aus Angst Pömmelte. (dpa/AFP/Polizei)

Erfurt, Thüringen, 11. Januar: Drei Anhänger der rechten Szene pöbeln einen 31 Jahre alten Iraker in der Straßenbahn an. Als er aussteigt, folgen sie ihm und schlagen ihm eine Bierflasche auf den Kopf. (Thüringer Allgemeine/Thüringische Landeszeitung)

Berlin-Friedrichshain, 14. Januar: Vier Neonazis jagen vier Spanier über die Warschauer Brücke und bewerfen sie mit Steinen. Als andere zur Hilfe kommen, werden auch sie attackiert. (Antifa Friedrichshain)

Rathenow, Brandenburg, 20. Januar: Vor einer Diskothek beschimpfen etwa acht Leute zwei dunkelhäutige Jugendliche und reißen einem von ihnen den Rucksack herunter. Einer der Angreifer soll dabei mit einem Messer hantiert haben. Die Täter fliehen, die Polizei ergreift drei Verdächtige, die offenbar kurz vorher ein Messer und einen Totschläger weggeworfen haben. (Märkische Allgemeine Zeitung)

Backnang/Winnenden, Baden-Württemberg, 20. Januar: Sechs Heranwachsende im Alter zwischen 16 und 18 Jahren skandieren in der S-Bahn ausländerfeindliche Parolen und beleidigen nach Polizeiangaben einige Passagiere „verbal und mit obszönen Gesten“. Auf dem Bahnhof Winnenden bedroht ein 16-Jähriger einen Passanten mit einem Messer und sprüht Tränengas. (Stuttgarter Zeitung/Polizei)

Köthen, Sachsen-Anhalt, 5. Februar: Ein 25 Jahre alter chinesischer Student wird von einer Gruppe Jugendlicher in der Bahnhofsvorhalle mit rassistischen Sprüchen beleidigt und geschlagen. (Mitteldeutsche Zeitung)

Magdeburg, Sachsen-Anhalt, 15. Februar: Ein 27 Jahre alter Togolese wird um 11.30 Uhr in der Straßenbahn von drei Männern beschimpft. Er steigt aus, sie verfolgen ihn. An einer Wartehalle wird er geschlagen, ein 18-Jähriger hetzt seinen Hund auf ihn, der ihn in die Hüfte beißt. (Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt)

Eilenburg, Sachsen, 27. Februar: Am Rande des Rosenmontagsumzuges verwüstet eine Gruppe junger Männer Geschäfte von Ausländern und schlägt die Mitarbeiter. Ein 18 und ein 27-Jähriger werden später festgenommen, sie werden der rechtsextremen Szene zugerechnet. (dpa/Polizei)

Halle, Sachsen-Anhalt, 7. März: Ein 24 Jahre alter Mann, der aus der Elfenbeinküste stammt, wird in der Innenstadt verfolgt, beleidigt und geschlagen. Passanten holen die Polizei. Die Beamten fassen einen 26-Jährigen und eine 17-jährige Frau und stellen einen Schlagstock sicher. Der 26-Jährige wurde schon wegen Volksverhetzung gesucht. (dpa/Polizei)

Arnstadt, Thüringen, 11. März: Drei Männer im Alter zwischen 20 und 25 verfolgen und beschimpfen einen Südafrikaner wegen seiner Hautfarbe zunächst, später schlagen sie ihm ins Gesicht. Der Südafrikaner arbeitet als Au-pair bei einer Arnstädter Familie. Der Bürgermeister zeigt sich überrascht (Thüringer Allgemeine/Thüringische Landeszeitung)

Rheinsberg, Brandenburg, 17. März: Drei junge Männer ziehen vor das Haus einer Migrantin. Sie rufen rassistische Parolen und treten ein Kellerfenster ein. Sie gehören zu einer Gruppe, die schon vorher vier Geschäfte von Einwanderern beschädigt hatte, darunter den Laden der Frau. (dpa/Polizei)

Cottbus, Brandenburg, 18. März: An einer Bushaltestelle wird aus einer Gruppe von rund zehn jungen Männern heraus ein Mazedonier zu Boden geschlagen. Er muss im Krankenhaus operiert werden. Eine Viertelstunde später werden sieben spanische Studenten der Universität Cottbus angegriffen, zwei werden ins Gesicht geschlagen. Ein Polizeisprecher sieht keinen Zusammenhang: „Alles, was ausländisch aussieht, wird als Feind betrachtet.“ (dpa/Polizei)

Hildesheim, Niedersachsen, 22. März: Ein 25-jähriger Skinhead wirft vom Balkon in der dritten Etage Tonbrocken auf einen türkischstämmigen 16-Jährigen und ruft rassistische Parolen. Der Jugendliche wird an der Schulter verletzt. (dpa/Polizei)

Magdeburg, Sachsen-Anhalt, 24. März: Eine 20-köpfige Gruppe greift an einer Bushaltestelle einen Sudanesen an. Ein Zeuge ruft die Polizei, die Täter fliehen. (dpa/Polizei)

Magdeburg, Sachsen-Anhalt, 25. März: Eine Gruppe junger Leute beschimpft in den frühen Morgenstunden einen Mann, einer bedroht ihn mit einer Machete. Der Angegriffene kommt aus Afrika, über das Herkunftsland gibt es unterschiedliche Angaben. Er wird mit „Afrika den Affen“ und anderen Parolen beschimpft und verfolgt. Später wird der Mann mit der Machete festgenommen. (dpa/Polizei/Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt)

Halle, Sachsen-Anhalt, 26. März: Beim Spiel der Fußball-Oberliga Nordost zwischen dem Halleschen FC und dem FC Sachsen Leipzig wird der Leipziger Spieler Adebowale Ogungbure von Hooligans angegriffen und beschimpft. Der Nigerianer reagiert auf die Beleidigungen mit dem Hitlergruß, weshalb die Polizei ihn wegen Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole anzeigt. Die Staatsanwaltschaft stellt ein Ermittlungsverfahren nach kurzer Zeit ein. (dpa/Justiz)

Rheinsberg, Brandenburg, 26. März: Vier Geschäfte von Einwanderern werden in der Nacht beschädigt: ein Asia-Imbiss, ein China-Restaurant, ein Gemüseladen, ein Kleidergeschäft. Vier angetrunkene Männer zwischen 17 und 19 Jahren werden festgenommen, alle vier sind polizeibekannt. (dpa/Polizei)

Hagenow, Mecklenburg-Vorpommern, 1. April: Zehn Rechtsradikale zerren einen Einwanderer aus Russland aus dem Auto und schlagen ihn zusammen. Er muss ins Krankenhaus gebracht werden. Die Polizei verhindert, dass später mit Knüppeln und Metallstangen bewaffnete Bekannte des Opfers die Tat rächen. (Polizei)

Arnstadt, Thüringen, 13. April: Drei betrunkene Männer im Alter zwischen 25 und 27 Jahren bedrohen zwei Männer aus Sierra Leone und bewerfen sie mit Bierflaschen. Die Angegriffenen flüchten sich in einen Supermarkt. (Thüringische Landeszeitung/dpa/Polizei)

Berlin-Lichtenberg, 15. April: Vier Jugendliche beschädigen ein Geschäft, das Vietnamesen gehört. Sie reißen ein Regal des Blumenladens herunter. Als Mitarbeiter der Stadtreinigung sie ansprechen, ruft einer der Täter: „Heil Hitler, das macht man so in Lichtenberg.“ (ddp/Polizei)

Potsdam, Brandenburg, 16. April: Am frühen Morgen wird ein 37-jähriger äthiopischstämmiger Deutscher von Unbekannten überfallen und schwer misshandelt. Der Ingenieur für Wasserbau, der an seiner Doktorarbeit schreibt, erleidet ein schweres Schädel-Hirn-Trauma sowie Knochenbrüche und schwebt nach einer Notoperation in Lebensgefahr. Auf der Handymailbox der Frau des Afrodeutschen finden sich die Stimmen der Täter. (Polizei/Justiz)

Essen, Nordrhein-Westfalen, 17. April: Drei Männer beleidigen und misshandeln einen Mann aus Sri Lanka. Der 31-Jährige steht an einer U-Bahn-Haltestelle in der Stadtmitte, als ihm „Scheiß-Ausländer“ zugerufen wird. Als er flieht, wird ihm ein Bein gestellt. Die drei Angreifer zwischen 17 und 31 Jahren treten auf ihn ein. Zwei von ihnen haben einige Wochen zuvor einen Afrikaner geschlagen. (Polizei)

Berlin-Friedrichshain, 19. April: Mitten im Berufsverkehr bedrohen zwei 27 und 28 Jahre alte Männer im U-Bahnhof Warschauer Straße einen 35-jährigen Jemeniten mit einem Klappmesser. Zudem schlagen sie dem Mann eine Flasche auf den Kopf. Der Mann aus dem Jemen erleidet eine Platzwunde, kann aber nach kurzer ambulanter Behandlung wieder aus der Klinik entlassen werden. (dpa/Polizei)