Gentechnik macht Horst Seehofer Ärger

Der Agrarminister wollte die Gentechnik auf dem Acker fördern. Sein Problem: Weder Bauern noch Industrie wollen die Verantwortung für die Risiken übernehmen. Inzwischen scheint Seehofer Genpflanzen eher mit Skepsis zu betrachten

VON HANNA GERSMANN

„Genhofer“ – so nennen Spötter im Bundestag Horst Seehofer. Der Bundesagrarminister ist angetreten, die Gentechnik auf den Äckern zu fördern. Allein: So einfach, wie von der schwarz-roten Koalition einst gedacht, ist das Vorhaben nicht. Der CSU-Mann kommt nicht weiter mit dem neuen Gentechnikgesetz.

Zwei Tage lang hat er sich in vier Gesprächsrunden beraten lassen – von Wirtschaftsleuten und Forschern, von Umweltschützern und Kirchenvertretern. „Nachdenklich“, „skeptisch“, „einsichtig“ sei er gewesen, erzählen Genkritiker. Seehofer stellte klar: „Die Politik tut gut daran, nicht mit dem Kopf durch die Wand zu wollen.“

Das Problem des Ministers: Nach geltendem Recht sind Bauern, die Genpflanzen anbauen, für Verunreinigungen auf Nachbarfeldern verantwortlich. Denn der Biobauer könnte seine Ernte beispielsweise nicht mehr als garantiert genfrei verkaufen. Das finanzielle Risiko ist jedoch für die Genbauern nicht kalkulierbar. Daher rät der deutsche Bauernverband seinen Mitgliedern von Genpflanzen ab.

Seehofers Mitarbeiter haben bereits an Lösungen gebastelt, um die Scheu vor den neuartigen Pflanzen zu mindern – ohne Erfolg. Eine Versicherung gegen Schäden? Nicht machbar. Die fremde Erbsubstanz verbreite sich theoretisch „mit einer Wahrscheinlichkeit von 1“, erklärt Katrin Rüter vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft. Und sagt: „Wir versichern auch kein Grundstück gegen Hochwasser, das im Wasser liegt“. Ein Haftungsfonds, mit dem Schäden bezahlt werden? Dafür gibt es kein Geld. Seehofer weigerte sich von vornherein, Steuermittel bereitzustellen. Er rechnete damit, dass die Agrarindustrie zahlt. Die US-Firma Monsanto zum Beispiel. Der Konzern vertreibt 90 Prozent aller Genpflanzen weltweit. Doch alle Unternehmer sperren sich, auch nur einen Cent zu geben.

Mit dieser Verweigerungshaltung haben sie aber auch die Sympathien von Seehofer verspielt. Er „war entnervt“, erzählt einer seiner Mitarbeiter. Der CSU-Minister habe zum ersten Mal verstanden: Die Firmen wollen an der Gensaat verdienen, aber nicht die Verantwortung für Pannen übernehmen. Heike Moldenhauer ist Genexpertin des Umweltverbandes BUND und war bei den Gesprächen mit Seehofer dabei. Sie ist sicher: „Der Minister kann den Schadensersatz nicht neu ordnen.“

Doch der CSU-Mann will dem Kabinett spätestens im Juni ein neues Gentechnikgesetz vorlegen. Er gab seinen Mitarbeitern jetzt einen neuen Auftrag. Sie sollen Maßnahmen entwickeln, damit der Haftungsfall zumindest so selten wie möglich eintritt. An dieser „guten fachlichen Praxis“ hatte auch schon Seehofers Vorgängerin Renate Künast (Grüne) gearbeitet. Um die Gengewächse besser unter Kontrolle zu bekommen, sollen Sicherheitszonen um die Äcker gezogen werden. Was dort gedeiht, wird der Gen-Ernte zugeschlagen. Und Maschinen, in denen Genmais verarbeitet wird, sollen mit herkömmlichem Mais „gespült“ werden, der dann auch als Genfood gilt. Allerdings ist ein Mähdrescher wegen seiner vielen Ecken und Kanten kaum zu reinigen. Erst vor kurzem bestätigte die Forschungsstelle der EU-Kommission: Trotz Schutzvorkehrungen macht sich die fremde Erbsubstanz breit. Seehofer hat wenig Spielraum.

Bleibt die Frage, wer das Gengetreide, das die Regierung fördern will, später kauft? Bislang war jedes Genprodukt in Deutschland ein Flop. Berühmt: Der „Butterfinger“ von Nestlé. Der Konzern nahm den Gen-Schokoriegel nach kurzer Zeit wieder vom Markt. Firmensprecherin Elke Schmidt: „Wir produzieren weiter ohne Gentechnik.“