Congos gegen Rechtsdrift

WELTMUSIK IN ROM Agostino Ferrentes Dokumentarfilm „Das Orchester von Piazza Vittorio“ schaut Einwanderern beim Musizieren zu – ohne Blick für die Politik

Vor acht Jahren verwirklichte sich der Keyboarder und Komponist Mario Tronco einen Traum. Er wollte den Einwanderern Roms eine Plattform geben – mit einem Orchester, das die multikulturelle Vielstimmigkeit Italiens in eine Form gießen sollte. Tronco gründete das „Orchester von Piazza Vittorio“. Der italienische Regisseur Agostino Ferrente hat dies in seinem gleichnamigen Debütfilm dokumentiert. „Das Orchester von Piazza Vittorio“ ist eine Hommage an die Weltmusik und zeigt, wie Tronco die Musiker mal in Gemüseläden, mal hinter Fleischtheken aufspürt, wie er rund um die Piazza Vittorio nach ihnen sucht und welche persönliche Migrationsgeschichten sie jeweils mit sich bringen.

Diese Suche dokumentiert der Regisseur etwas überraschungsarm und rein chronologisch, indem er die Kurzporträts der Künstler aneinanderreiht. So lernen wir den Argentinier Raúl kennen, der sich behelfsmäßig in einer Garage eingerichtet hat und seine Wohnung mit Congos, Timbales und Cajones möbliert, oder den Straßenmusiker Carlos aus Ecuador, der seine Heimat verlassen musste, weil er in den Slums Musikunterricht gab und damit das Misstrauen der Regierung auf sich zog. Und wir begegnen dem Tunesier Houcine, der singend den Blick zum Meereshorizont gen Südwesten schweifen lässt.

Bei dieser leisen Verklärtheit bleibt es auch bei Ferrente, obwohl er mit seinem Film ein brisantes Thema berührt: den wachsenden Rassismus in Italien und die Rechtsdrift, die zuletzt bei den italienischen Regionalwahlen zum Vorschein kam. Am Anfang und am Ende des Films sind jeweils Demonstrationen gegen das 2002 verabschiedete Fini-Bossi-Gesetz zu sehen; die Regelung erschwerte den Aufenthalt von Einwanderern ohne Papiere in Italien.

Dieser äußere Rahmen will sich an die Handlung aber nicht richtig anschmiegen. Die gezeigten Fahnen- und Plakateträger, die protestierend durch die Straßen des römischen Esquilin-Viertels ziehen, stehen nur flüchtig in Zusammenhang mit den Marimba- und Sitar-Spielern des Orchesters. Und sie finden im weiteren Verlauf des Films keine Erwähnung mehr.

Zwar kämpfen die Akteure zwischendurch gegen die Behörden und gegen drohende Abschiebungen ins Ausland. Aber Ferrente vertieft die Problematik nicht. Es bleibt bei einer romantischen Idealisierung des Orchesters, ganz so, als agierten die Musiker in einem abgeschotteten Raum, der aller Realität trotzt. Sehr pathetisch schwillt die Musik schließlich zum großen Finale an, dem umjubelten Konzert des Orchesters. Was im Abspann prompt und in Anlehnung an die Demonstrationen zum Zeichen der „Stärke der Einwanderer“ umgewertet wird.

ISABEL METZGER

■ „Das Orchester von Piazza Vittorio“. Regie: Agostino Ferrente. Dokumentarfilm, Italien 2006, 93 Minuten