Die freundliche Oberbayerin

Idyllische Fotos von Ilse Aigner gibt es zuhauf: im Dirndl im Festzelt, in Wanderhose und Multifunktionshemd vor Bergkulisse, Apfel, Milch, Bier in der Hand und vor allem stets lächelnd. Die bisherige Bundeslandwirtschaftsministerin gilt als sympathisch, als eine „von uns“. Das heißt vor allem: aus der bayerischen Landbevölkerung.

Die 48-Jährige stammt aus Feldkirchen-Westerham im Landkreis Rosenheim, einer Gemeinde mit 10.000 Einwohnern. Dort machte sie im elterlichen Betrieb eine Ausbildung zur Radio- und Fernsehtechnikerin, mit 20 trat sie in die CSU ein, mit 31 gehörte sie zum Parteivorstand. Dass Aigner Oberbayerin ist, hat Bedeutung: Franken wie ihr Rivale Markus Söder gelten vielen nicht als echte Bayern. Auch Seehofer ist Oberbayer.

Viele schätzen Aigners ländlichen Hintergrund, der ihr schon in ihrem Amt als Landwirtschaftsministerin Glaubwürdigkeit verlieh. Obwohl sie keine Landwirtin ist, kann Aigner glaubwürdig Kühe, Traktoren und Brennereien loben und, was noch wichtiger ist, sie wirkt stets freundlich und geduldig. Das kommt gut an, vor allem auf dem Land, dem Kernbereich der CSU. Bei der Landtagswahl vereinte sie in ihrem Stimmkreis satte 57,8 Prozent der Stimmen auf sich – ein Plus von knapp 15 Prozentpunkten im Vergleich zum vorigen Kandidaten.

Ihre Geduld und Ruhe könnte Aigner auch im Kampf um die Nachfolge von Ministerpräsident Horst Seehofer helfen. Der hatte sie zurück in die Bayernpolitik geholt, ihr dort aber das Amt der CSU-Fraktionschefin verweigert. Das sah zunächst wie ein Vertrauensentzug Seehofers aus, doch für Aigner könnte es sich als Glücksfall entpuppen.

Als Fraktionschefin wäre klar gewesen, dass sie beste Chancen auf das Ministerpräsidentenamt hat, und man hätte jede ihrer Bewegung daraufhin abgeklopft. Nun soll sie stattdessen das Wirtschaftsressort übernehmen, das angereichert durch den Bereich Energiewende den Status eines Superministeriums erhält. Zwar erhält auch ihr Rivale Söder ein Superministerium, das Finanzen und das neue Heimatressort bündelt. Doch Aigner wird auch Vize-Ministerpräsidentin, eine klare Auszeichnung. Nun hat sie fünf Jahre Zeit, um ihre Basis zu stärken. K. ANTONIA SCHÄFER