Zucker für Lackaffen

Trendsport mit Dresscode: Bei „Let’s Dance“, der Show für Tanzlehrer, kommt höchstens Abschlussballatmosphäre auf. Ein Studio-Besuch

AUS KÖLN MICHAEL AUST

Als die kleine Frau mit dem schwarz-roten Kleid fertig getanzt hatte, stand sie auf dem Parkett und lauschte den Richtern. „Ich habe das Feuer in der Hüfte vermisst“, urteilte die ehemalige Eiskunstläuferin Katarina Witt. „Das kam mir vor wie ein Holzschuhtanz“, meinte Tanzrichter Joachim Llambi, der bad guy der Jury. Die kleine Frau mit den roten Haaren, die gerade einen „Paso Doble“ aufs Parkett gelegt hatte, verzog keine Miene. Niederlagen in der vierten Runde sind Heide Simonis nicht unbekannt.

Stattdessen flog am Samstagabend bei der vierten Ausgabe der RTL-Paartanzshow „Let’s dance“ dann aber doch Schauspieler Jochen Horst samt Profi-Tanzpartnerin raus. „In den Sonnenuntergang tanzen“ nannte das Moderator Hape Kerkeling – passend zum schwülstig rot beleuchteten Studio.

Mit „Let’s Dance“ gibt RTL den Lackaffen Zucker. Der Kölner Sender, der mit seinen Shows immer am Puls der Zeit sein will, hat Paartanz als neuen Trend ausgemacht und das BBC-Erfolgsformat „Strictly Come Dancing“ fürs deutsche Fernsehen kopiert. „Tanzschulen haben uns bestätigt, dass Paartanz im Moment wieder angesagt ist“, sagt Frank Rendez von RTL. So angesagt, dass die ersten drei Shows im Schnitt sieben Millionen Zuschauer hatten, das sind über 20 Prozent Marktanteil bei den werberelevanten 20- bis 39-Jährigen.

„Mit dem Tanzen ist es wie mit den Manieren“, meint Schauspieler Wayne Carpendale. „Das wird seit Jahren trendiger.“ Er hat festgestellt, dass die Bewegungen beim Tanz „zwar affektiert aussehen, aber helfen, um weiterzukommen“. Genauso verhalte es sich mit Manieren: „Einer Frau die Tür aufzuhalten – das gehört nicht nur dazu, das hilft einfach. Das Leben nimmt schöner seinen Gang.“

Wenn in den Werbepausen jedoch Einpeitscher Jens nicht gewesen wäre, hätte im Kölner Coloneum eine Stimmung geherrscht wie in der großen Koalition. Unterschichtenfernseh-untypisch hatte RTL den Zuschauern einen Dresscode verpasst, was – ebenso wie die wenig abwechslungsreiche Dramaturgie – gepflegte Abschlussballatmosphäre aufkommen ließ. Auch die Tanzrichter gingen manierlich mit den Promipaaren um – schließlich wolle man ja nach der Show noch „einen saufen“ gehen, wie Einpeitscher Jens mehrfach ankündigte.

Dass „Let’s Dance“ die Sendung zur neuen Spießigkeit sein könnte, weist die Gewinnerin des Abends, Ex-„No Angels“-Sängerin Sandy Mölling, jedoch zurück: „Wer unseren Tanz heute gesehen hat, wird nie wieder behaupten, dass Paartanz spießig ist!“ In der Show hatte sie im Einspielfilm zunächst sekundenlang ihr Arschgeweih präsentiert, bevor sie die Tanzrichter mit einem feurigen „Paso Doble“ begeisterte.

„Eine alte Frau ist kein D-Zug“, hatte die 62-jährige Heide Simonis vor ihrem Auftritt noch gefloskelt. Die Zuschauer wollen die Exministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, prominenteste aller tanzenden Exprominenten, natürlich trotzdem tanzen sehen. Und wählten die Politikerin samt Tanzpartner beim Telefonvoting in die nächste Sendung, obwohl sie von der Jury mit den schlechtesten Noten bedacht wurden. Tanzen sei wie Politik, sagte Simonis später. „Man bewegt sich auf glattem Parkett und kann ganz schön auf die Schnauze fallen.“ Am nächsten Samstag wird Samba getanzt.