KOMMENTAR VON NIELS KADRITZKE
: Aufruhr ist gerechtfertigt, aber aussichtslos

Die Demonstranten wollen den parasitären Klientelstaat loswerden

Unvermeidlich, aber ungerecht“, titelt eine Athener Zeitung über das verschärfte Sparprogramm der griechischen Regierung. „Gerechtfertigt, aber aussichtslos“ könnte man den erneuten Generalstreik nennen, der das Land wieder lahmlegt.

Natürlich ist es ungerecht, wenn vor allem die Rentner und Lohnempfänger die Schulden abzahlen müssen, die eine leichtfertige und korrupte politische Klasse auflaufen ließ. Die Menschen, die heute in Griechenland demonstrieren, wollen den parasitären Klientelstaat loswerden, den Sozialstaat aber so weit wie möglich erhalten. Das ist verständlich, aber unrealistisch.

Der Schuldenabbau, den die EU und der IWF stellvertretend für „die Märkte“ fordern, soll nämlich sehr schnell erfolgen. Einkommenskürzungen und Steuererhöhungen wirken sofort, die Verfolgung von Steuerhinterziehern und Schwarzgeldsündern hingegen dauert länger. Das ist das Dilemma der griechischen Regierung, die um die „soziale Akzeptanz“ des unvermeidlichen Sparprogramms fürchten muss. Es ist aber auch das Dilemma der Gewerkschaften, die wissen, dass sie mit einem Generalstreik den Staatshaushalt nicht sanieren können. Deshalb hat auch die „soziale Akzeptanz“ der Streikbewegung abgenommen, zumal diese von den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes dominiert wird.

Nach neuesten Umfragen sind fast 80 Prozent der Griechen überzeugt, dass die „Privilegien“ des öffentlichen Dienstes drastisch eingeschränkt werden müssen. Deshalb ist es ein relativer Erfolg der Regierung Papandreou, dass für den Privatsektor das Urlaubs- und Weihnachtsgeld „gerettet“ werden konnte, während es für öffentlich Bedienstete beschnitten wird.

Einsicht in die Realität ist aber nicht die einzige Voraussetzung für die Akzeptanz der programmierten Entbehrungen. Eine zweite ist das Gefühl, dass die Lasten gerecht verteilt sind. Eine dritte, dass die Mühen sich lohnen, dass es irgendwann wieder aufwärtsgeht. Zumal die dritte Voraussetzung ist im Fall Griechenlands nicht erfüllt.

Der düstere Begleitschatten des Sparprogramms ist der krasse Konjunktureinbruch, den griechische Ökonomen, aber auch die Experten von IWF und OECD schon heute voraussagen. Wenn sich diese Prognosen bewahrheiten, wird eine Diskussion um den Plan B beginnen müssen.