neues aus neuseeland: undercover bei mick jagger von ANKE RICHTER
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Dass schon wieder ein Jahr auf der Südhalbkugel rum ist, merkt man daran, dass es Herbst wird und die Rolling Stones kommen. Warm anziehen und weghören, sag ich da, aber das ist schwierig, denn in der Welttournee der Wackersteine ist zurzeit unübersehbar der Wurm drin. Obwohl überall sonst auf Planet Rock ’n’ Roll die Tickets angeblich „innerhalb von Minuten“ ausverkauft waren – niemand steht mehr über Nacht Schlange –, lief der Verkauf in Auckland schleppend. Etliche teure Plätze waren kurz vor dem Metropolen-Konzert noch frei. Das riecht nach Verfall und stimmt mich herbstlich-melancholisch. Alles ist vergänglich, erst recht ein Sexgott.

Das musste auch die Klatsch-Journalistin vom New Zealand Herald am eigenen Leibe erleben. Oder besser: entbehren. Sie schmuggelte sich in Mick Jaggers Entourage ein. Die brünette Rachel Glucina, mit blonder Model- Freundin im Schlepptau, wurde vom Stones-Leibwächter konspirativ in die Hotelbar bestellt. Da saß sie, Kondome und Kamera griffbereit im Handtäschchen, Schenkel an Schenkel mit Mick und stellte entsetzt fest: „Meine waren doppelt so dick wie seine!“ Er trank keinen einzigen Schluck. Er fasste sie nicht an. Sie notierte sich heimlich die Farbe seiner knalligen Socken und durfte mit ihm plauschen: Über Fitness-Training, Ferienhäuser, Kinder. Er gestand ihr, dass er den Plüschhasen seiner Tochter einst in ein Kino geschmuggelt hatte, weil es dem Mädchen mit Stofftier zu peinlich war. Reporterin Rachel war gar nichts peinlich.

Am vierten Tage durfte sie zu später Stunde mit auf Micks Zimmer. Orgien? Drogen? Zertrümmerte Gitarren? Pustekuchen. Ein Glas gepflegter Rotwein und Kleinkram aus dem Nähkästchen eines Rockstars – unter anderem, wie sehr Jagger Journalisten hasst. Rachel hielt tapfer durch. Eine Umarmung, ein Bussi, ein „Komm mich doch mal in Europa besuchen, ich bin an der Loire“ – das war’s. Aber der Herald hatte eine Enthüllungsgeschichte, über die sich anschließend die ganze Nation erregte: Armer Mick, so übel aufs Kreuz gelegt. Noch schlimmer wiegt: Was soll er denn jetzt von Neuseeland denken?

Sympathy for the Devil habe auch ich da: ganz viel Mitgefühl für den armen Teufel. Zu erfahren, dass der gerontologische Hüftrotierer letztlich nur ein reicher alter Knacker ist, der nüchtern und allein ins Bett geht, oder eben doch ein perfekter Gentleman, je nachdem wie man’s nimmt – das zerstört Illusionen, die man eigentlich schon seit Uschi Obermaiers Enthüllungen nicht mehr haben durfte. Zu ihr fällt mir immer der Witz ein, in dem Uschi beim ersten Rendezvous in Micks Ohr raunt: „Mein Name ist das deutsche Wort für ‚pussy‘, wenn du den Anfangsbuchstaben weglässt.“ Er flüstert verliebt: „Otze …“

Die Münchner-Kindl-Tage sind zwar lange her, aber wenigstens ist Keith Richards seinem Ruf halbwegs treu geblieben. Vergangene Woche ist der Gitarrist beim Urlaub auf den Fidschi-Inseln von einer Kokospalme gefallen. Womöglich kletterte er schön stratze herauf. So kam er schneller als gedacht nach Neuseeland zurück, diesmal mit lädiertem Schädel in eine Klinik. Falls sich keine Reporterin als Krankenschwester einschmuggelt, sollte er zumindest das Land in guter Erinnerung behalten.