Unter Selbstaufsicht

Polens Bischöfe wollen Radio Maryja künftig beraten. Papst Benedikt XVI. hatte gegen die antisemitischen und politischen Sendungen protestiert

AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER

Nach heftigem Protest des Vatikans gegen den katholisch-antisemitischen Sender Radio Maryja in Polen musste die polnische Bischofskonferenz endlich eine Entscheidung über die Zukunft des Skandalsenders fällen. Doch statt den umstrittenen Radio-Maryja-Macher Pater Tadeusz Rydzyk abzusetzen und in ein Kloster zu verbannen, will man den Mönch demnächst von einem paritätisch besetzten Programmrat beraten lassen.

Mitglieder sollen ausschließlich Geistliche sein. Drei Priester wurden bereits am Dienstag vom Episkopat ernannt: Professor Wacław Depo, Rektor des Höheren Geistlichen Seminars in Radom, Prof. Tomasz Dutkiewicz aus Thorn/Toruń, dem Sitz von Radio Maryja, sowie der Moraltheologe Professor Jerzy Troska von der Universität Posen/Poznań. Keiner dieser Geistlichen hat sich bislang als Kritiker Radio Maryjas in der Öffentlichkeit hervorgetan. Wer der vierte Vertreter des Episkopats im künftigen Programmrat Radio Maryjas sein soll, ist noch nicht bekannt.

Zurückgehalten mit jedem Kommentar hat sich bislang der Redemptoristen-Orden, dem der Sender gehört. Auch vier seiner Mönche werden in den Programmrat einziehen, sie sind ebenfalls noch nicht benannt. „Es ist klar, dass Radio Maryja keine Partei oder politische Richtung einseitig begünstigen darf“, verkündete der Warschauer Erzbischof Sławoy Leszek Głódź mit zufriedenem Lächeln das Ergebnis der Beratungen. Dies sei im Statut des Programmrats festgehalten. Dass Erzbischof Głódź mit keinem Wort auf die antisemitische Sendung von Ende März einging, die wohl den letzten Impuls für den Protestbrief von Papst Benedikt XVI. gab, ist nicht weiter verwunderlich.

Denn der Episkopat ist tief gespalten. Viele Bischöfe stehen nicht nur hinter dem umstrittenen Betsender, der nach eigenen Angaben 3 bis 5 Millionen Hörer hat. Vielmehr stellen sie sich auch bewusst in die Tradition eines missverstandenen katholisch-antisemitischen Patriotismus. So ist es kein Wunder, dass der Bischof von Łomża, Stanisław Stefanek, Jerzy Robert Nowak zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft von Jedwabne gratulierte und für einen der berüchtigsten Antisemiten Polens einen Festgottesdienst hielt. In Jedwabne hatten die katholischen Einwohner ihre jüdischen Nachbarn im Sommer 1941 ermordet – auf Geheiß der Deutschen, aber ohne deren Zutun. Nowak hatte die Aufdeckung des Pogroms von 1941 als „antipolnisch“ gebrandmarkt.

Das mit einer Auflage von rund 300.000 Exemplare größte katholische Wochenblatt Polens Niedziela (Der Sonntag) richtete Nowak eine eigene Kolumne ein. An der großen Trauerfeier „60 Jahre Pogrom in Jedwabne“ nahm kein einziger Bischof teil. Stattdessen hielten sie einen „Versöhnungsgottesdienst“ ausgerechnet in jener Kirche ab, deren Kellergewölbe sie an die größte antisemitische Buchhandlung Warschaus, „Antyk“, vermietet haben. Natürlich kann man dort auch das Buch von Nowak kaufen.

Als die Bischöfe am Dienstag noch darüber berieten, wie sie der Forderung des Papstes nachkommen könnten, ohne Radio Maryja, Pater Rydzyk und dessen Hörer zu sehr zu verärgern, war dort wieder einmal Jerzy Robert Nowak am Mikrofon. Er las einen Kommentar Maciej Rybińskis aus dem Springer-Blatt Fakt vor: „Wenn ich Deutscher wäre, würde ich es nicht wagen, anderen Nationen Antisemitismus vorzuwerfen. Ich würde denken, dass die Deutschen ein für alle Mal das Recht verloren haben, anderen zu sagen, wie man mit Juden umzugehen hat, was man über sie sagen und schreiben darf.“ Gemeint war damit wohl auch der Papst.