Bio-Bauern händeringend gesucht

AUSWAHL In den Bioläden sind regionale Produkte gefragt – doch der Bedarf kann oft nicht mit heimischen Öko-Lebensmitteln gedeckt werden. Eindrücke von der Fachmesse Bio Nord

■ Die Lebensmittelmesse Bio Nord richtet sich an Fachbesucher aus dem Naturkost- und Reformwarenhandel, aus Bio-Supermärkten, von Bio-Großverbrauchern und der Gastronomie.

■ Die erste Bio Nord veranstalteten Matthias Deppe und Wolfram Müller aus Seevetal 2004 in Hamburg.

■ Inzwischen gibt es jährlich neben der Bio Nord in Hannover (die nächste am 14. September 2014) auch die Bio Süd (28. September 2014 in Augsburg), die Bio West (30. März 2014 in Düsseldorf) und die Bio Ost (6. April 2014 in Berlin).

VON JOACHIM GÖRES

Mehr als sieben Milliarden Euro gaben die Verbraucher 2012 in Deutschland für Bio-Lebensmittel aus, drei Mal so viel wie noch im Jahr 2000. Im ersten Halbjahr 2013 hat der Naturkostgroßhandel seinen Umsatz um elf Prozent gesteigert. Gute Vorzeichen für die Fachmesse Bio Nord, auf der sich kürzlich in Hannover Erzeuger und der Handel trafen. 382 Aussteller präsentierten den rund 4.000 Besuchern Fleisch, Milchprodukte, Brot, Wein und Süßigkeiten in Bioqualität.

Spezialist für Bio-Honig ist die Firma Walter Lang aus Bremen. „Wir ernten selber und fahren gezielt in bestimmte Gegenden, etwa zur Akazienblüte nach Brandenburg“, sagt Karin Lang. „Der Kunde will wissen, woher der Honig stammt, deswegen geben wir seit Kurzem die genaue Region auf den Gläsern an.“ Doch bei vielen Sorten wie bei den Akazien oder den Kirschblüten reicht das deutsche Angebot an Honig nicht aus. „Nirgendwo auf der Welt wird so viel Honig gegessen wie in Deutschland. Der hiesige Verbrauch mit 1,2 Kilo pro Jahr und Kopf kann nur zu 20 Prozent mit einheimischer Ware gedeckt werden“, sagt Lang.

Fruchtschnitten, Brotaufstriche, Honig und Müsli von Allos aus Mariendrebber gehören zu den ältesten und bekanntesten Bio-Marken in Deutschland. „Für Allos sind viele Früchte nötig, und da müssen wir im Ausland zukaufen, weil es hier nicht genügend Bio-Obst in der für uns nötigen Qualität gibt“, sagt Olga de Gast, Sprecherin der Allos-Muttergesellschaft Wessanen Deutschland aus Bremen. Sie bedauert das, denn Kunden vertrauten in erster Linie Bio-Produkten, deren Rohstoffe aus der Region kommen.

Die Naturkost Elkershausen aus Göttingen beliefert als Großhändler Bioläden in Norddeutschland mit mehr als 8.000 Artikeln. Die gerade in den Großstädten wachsenden Bio-Supermärkte gehören nicht zu den Kunden. „Wir arbeiten mit inhabergeführten Läden zusammen und sehen für sie eine sehr gute Zukunft“, sagt Geschäftsführer Thomas Hölscher. „Die Bio-Ketten nehmen den kleineren Bio-Läden nicht die Kundschaft weg, sondern gewinnen ein neues Publikum, etwa jüngere Leute, die nicht in den klassischen Bio-Laden gehen würden. Immer stärker ist laut Hölscher bei Kunden die Nachfrage nach Produkten aus der Region. Ein Grund, dass Naturkost Elkershausen den Bioläden Flyer anbietet, in denen sich die Erzeuger aus der Gegend um Göttingen vorstellen. „Es ist für uns inzwischen eine große Herausforderung, genügend Bio-Erzeuger in der Region zu finden“, sagt Hölscher. Und auch neue Verarbeitungsbetriebe aufzutreiben sei schwierig, denn die Umstellung ist mit einem hohen Kostenaufwand verbunden.

Wer Bio-Produkte erzeugen und verkaufen will, muss sich von einer neutralen Stelle zertifizieren lassen. Rund 20 private Institute in Deutschland überprüfen, ob Bio-Hersteller und Bio-Verarbeiterbetriebe die Bedingungen dafür erfüllen. Einer dieser Anbieter ist die Ecocert Deutschland mit Sitz in Northeim. Zehn Mitarbeiter kontrollieren bundesweit die Einhaltung der Standards für den ökologischen Landbau, für Naturkosmetik und Naturtextilien. „Für die Produzenten gibt es derzeit wenig finanzielle Anreize für eine Umstellung auf ökologische Landwirtschaft“, sagt Ecocert-Inspektor Carsten Alff. Bei den Verarbeitern von Bio-Ware gebe es dagegen mehr Wachstum, denn Ketten wie Edeka oder Rewe weiteten ihr Bio-Angebot aus.

Milch, Butter, Quark und Käse in Bio-Qualität stellt die Gläserne Molkerei aus Dechow in ihrer zwischen Lübeck und Schwerin gelegenen Molkerei her. Von dort aus bedient sie den norddeutschen Markt. „Die Nachfrage nach Bio-Milchprodukten wächst deutlich“, sagt Geschäftsführer Peter Knopp. Er ist auf der Suche nach weiteren Bio-Bauern, um den Bedarf decken zu können. „In Mecklenburg-Vorpommern gibt es durch das Landwirtschaftsministerium viel Unterstützung für die Umstellung“, lobt Knopp.

Glutenfreie Produkte liegen auf der Bio Nord im Trend – obwohl sich laut der Deutschen Gesellschaft für Zöliakie nicht mal ein Prozent der Bevölkerung aus gesundheitlichen Gründen glutenfrei ernähren muss. „Wenn glutenfrei draufsteht, fühlen sich viele Kunden sicherer, die Angst davor haben, dass ihnen beim Essen etwas untergeschoben wird“, sagt Ilona Schönfeld, Leiterin des Naturkostfachgeschäftes Bio-Logisch in Hannover. Auch laktosefreie Produkte seien bei der Kundschaft zunehmend gefragt.

Zu den Produkten, die in Deutschland in Bio-Qualität gekauft werden, gehören vor allem Eier (neun Prozent aller verkauften Eier), frisches Gemüse (5,3 Prozent) und frische Kartoffeln (4,8 Prozent), Tendenz steigend. Ein Viertel der Bio-Lebensmittel werden nach Angaben der Beratungsgesellschaft Nielsen nicht in Bioläden und Reformhäusern, sondern im Discounter verkauft. Dort findet man Waren mit dem hellgrünen europäischen Bio-Siegel, in denen doppelt so viele Zusatzstoffe eingesetzt werden dürfen wie in den Produkten der wichtigsten ökologischen Anbauverbände Bioland, Naturland und Demeter.

In Niedersachsen bearbeiteten 2011 nach den Zahlen des Deutschen Bauernverbandes 1.400 ökologische Betriebe 2,8 Prozent der Anbaufläche. In der Weser-Ems-Region liegt der Anteil unter zwei Prozent, am höchsten ist er im Wendland mit neun Prozent. In Schleswig-Holstein bewirtschaften 493 Öko-Bauern 3,5 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind damit beim Öko-Landbau die Schlusslichter unter allen Flächenbundesländern. Die neue rot-grüne Regierung in Niedersachsen will den Anteil erhöhen und zahlt seit Kurzem höhere Prämien für Bauern, die ihren Betrieb umstellen.