Der Konflikt-Konflikt

LINKER ANTISEMITISMUS Israel und Palästina sind weit weg, um die richtige Haltung aber streiten sich auch hiesige Linke – und das nicht erst seit gestern. Von Lehren aus der Geschichte und internationaler Solidarität bis zu verhinderten Vortragsabenden und durchgeboxten Kinobesuchen ➤ Schwerpunkt SEITE 43–45

„Boykottiert ‚Israel‘“, so stand es seit dem Frühsommer 1988 an den besetzten Häusern in der Hamburger Hafenstraße – eine Reaktion auf die ein Jahr zuvor begonnene palästinensische „Intifada“. Ein Foto von diesem Wandbild hat der Hamburger Verleger Karl-Heinz Dellwo für seinen Sammelband „Häuserkampf II“ (Laika-Verlag, 2013) verwendet, doch mit dem Kommentar, den er darunter fand, war er nicht zufrieden: „Wandparole in der Hamburger Hafenstraße“ stand da schlicht – für Dellwo eindeutig zu wenig. Und so verfasst er für sein Buch einen kurzen Begleittext:

„Kaum eine Parole an den Wänden der Hafenstraßenhäuser hat auch so viel innerlinke Kritik hervorgerufen wie der in Deutschland unerträgliche Boykottaufruf und die infame Schreibweise ISRAEL in Anführungszeichen, mit der die Existenzberechtigung des Staates verneint wurde“, schrieb Dellwo. Und dass zum Lernprozess falscher Parolen nun einmal gehöre, dass die geäußerten Dinge für sich stehen – ihre eigenständige Aussage haben.

Dellwos Bildtext löste bei denen, mit denen er für das Buch zusammenarbeitete, heftigen Streit aus. „Das Hafenstraßenkollektiv“, heißt es in dem Buch, habe lange darauf bestanden, das Wandbild sei „anders gemeint“ gewesen. Man habe verlangt, seinen Text durch einen konsensfähigen zu ersetzen, sagt Dellwo – doch lieber hätte er das Buch scheitern lassen: „In dem Moment, in dem man sich von anderen zensieren lässt, ist man auf einem abschüssigen Weg.“ Er selbst sei immer wieder mit Sichtweisen konfrontiert, die nicht bei dem ansetzten, was er einmal intendiert habe, sagt das frühere RAF-Mitglied Dellwo.  Foto: AP

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