Der Tiger von Prag will nicht regieren

TSCHECHIEN Bei den Parlamentswahlen verhindert der Sieg des Milliardärs Andrej Babis mit seiner Protestbewegung ANO eine einfache Regierungsbildung. Linkes Bündnis bleibt ohne eigene Mehrheit

AUS PRAG ALEXANDRA MOSTYN

Siegesbewusst lacht Andrej Babis in die Kameras und streichelt Tigerbaby Fred vom Zirkus Jo-Joo, das ihm als Überraschungsgratulant gereicht wird. „Ein Tiger für den Tiger der tschechischen Politik“, ruft Zirkusdirektor Joo, der in seiner Crocodile-Dundee-Kluft aus der Masse der in Schwarz gekleideten Gäste der Wahlparty heraussticht.

Gerade hat Andrej Babis herausgefunden, dass zu seiner Karriere als Unternehmer, Milliardär und Medienmogul bald auch noch ein Ministerposten dazukommen könnte. Mit seiner Protestbewegung ANO kam der 59-Jährige bei den tschechischen Parlamentswahlen auf einen Stimmanteil von 18,65 Prozent und 47 Mandate. Das ist nicht allzu weit hinter den Sozialdemokraten, die mit 20,45 der Stimmen und 50 Sitzen einen enttäuschenden Erfolg einfuhren.

Ob Babis wirklich ein Tiger ist, bleibt abzuwarten. Momentan erinnert er eher an den Weißen Hai der tschechischen Politik, aufgetaucht aus den Untiefen der Politikverdrossenheit, ist er auf der Welle des Protests gegen die etablierten Strukturen zu seinem Erfolg geschwommen. Und hat dabei den Kahn zerstört, dem die Umfragen lange Zeit das rettende Ufer der Regierungsbildung vorausgesagt haben: Sozialdemokraten und Kommunisten bringen es zusammen auf keine Mehrheit, Babis hat ihnen die Protestwähler genommen. Denn es war nur ihre Stammwählerschaft von knapp 15 Prozent, die die Kommunisten auf den dritten Platz gebracht und ihnen 33 Sitze verschafft hat.

Auch zieht ein Tiger nicht den Schwanz ein. Andrej Babis hingegen erklärte nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses, er werde seinen Mitstreitern empfehlen, nicht an der Regierungsbildung teilzunehmen.

Vielleicht wird Babis auf die nächsten Wahlen nicht lange warten müssen. Insgesamt sieben Parteien haben es ins 200-köpfige Abgeordnetenhaus geschafft, das macht eine Regierungsbildung schwierig. Unter ihnen befindet sich eine weitere Protestpartei eines millionenschweren Unternehmers: die Bewegung „Aufbruch des direkten Demokratie“ des Tschecho-Japaners Tomio Okamura. Mit einem populistischen Programm hat er es auf 6,88 Prozent gebracht.

Das sind immerhin 0,1 Prozentpunkt mehr als die Christdemokraten. Sie werden als dritte im Bunde einer möglichen Koalition zwischen ANO und den Sozialdemokraten gehandelt. Möglich wäre auch eine Minderheitenregierung unter dem Sozialdemokraten Bohuslav Sobotka. Eine Koalition mit den konservativen Parteien schloss er hingegen aus.

Diese ehemaligen Regierungsparteien ODS und TOP 09 haben die volle Breitseite der Wählerverachtung abbekommen. Während die TOP 09 dank ihrer Ikone Karel Schwarzenberg noch knappe 12 Prozent und damit 26 Sitze erhielt, hat die ODS einen fast tödlichen Stoß erhalten: Die mächtigste Kraft des tschechischen Postkommunismus wird mit nur noch 16 Abgeordneten vertreten sein. Sie bekam nicht einmal mehr 8 Prozent.