INVENTAR
: Wo der Glaube sitzt

Wie das ausgesehen hätte! Messehallen voller Bierkästen, aus Plastik. Was hätte das für einen Lärm gegeben beim Hin- und Herschieben und Aneinanderknallen, wenn es gilt, aus profanen Sitzreihen hunderte von Gesprächs- und Gebetskreisen zu machen. Bibelarbeiten mit dem Aroma einer riesigen Trinkhalle – nicht auszudenken, wenn es bei der ersten Idee von Friedrich Karl Barth für eine zeitgemäße Bestuhlung kirchlicher Großveranstaltungen geblieben wäre.

Gott sei Dank fiel dem Kirchendichter, der das neue geistliche Liedgut so liebt wie sich selbst, Anfang der 70er anlässlich einer liturgischen Nacht noch die Sache mit dem Papphocker ein. Ein wenig inspiriert vom Stararchitekten Max Bill und bestimmt noch mehr vom Heiligen Geist bat er seine Sekretärin um die Vermessung ihres Gesäßes und leitete die Daten an die Firma Stabernack aus Fulda zwecks Massenproduktion weiter.

Der Rest ist bekannt, die Hocker wurden Kult, und weil man sie nach jedem Tag günstig erwerben kann, fanden sie sowohl in der quadratisch nüchternen evangelischen als auch in der sinnlicheren sechseckigen katholischen Variante auch ihren Weg in die Gemeindehäuser der Republik. In München gibt es nur ein Hockermodell für die Hintern der Gläubigen. Irgendwo muss die Ökumene ja beginnen … STEPHAN KOSCH