„Bumsen ist hui, Zölibat ist pfui“

GEGENVERANSTALTUNG Atheisten und Kirchenkritiker protestieren in München gegen „2.000 Jahre Verdummung und Bevormundung“ durch die Kirche

Gefordert wird, die Taufe als „Form der spirituellen Vergewaltigung“ zu ahnden

MÜNCHEN taz | Sogar die „Prügel-Nonne“ kommt. In der einen Hand hält sie ein Kruzifix, in der anderen einen Rohrstock. Eine unbarmherzig zuschlagende Nonne: Die drei Meter hohe Figur aus Pappmaschee des Künstlers Jacques Tilly soll an das Unrecht erinnern, das Heimkinder über Jahrzehnte erfahren haben. In München ist sie Teil der „Frohen Prozession“, einer Demonstration von Atheisten, Konfessionslosen und Kirchenkritikern.

Man wolle zeigen, dass ein „fröhliches Leben“ unabhängig von Religion und Kirche möglich sei. Einige Organisationen aus diesem Spektrum, der Bund für Geistesfreiheit, die Giordano-Bruno-Stiftung und der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten, veranstalten während des Ökumenischen Kirchentags einen Gegenkongress, die „Religionsfreie Zone 2010“.

Von den Organisatoren ist mitunter sehr Widersprüchliches zu hören. So fordert Sarah Jäckel aus dem Vorstand des Bunds für Geistesfreiheit (BfG)in einem Grußwort an die Teilnehmer des Kirchentags: „Wir wollen euch nicht missionieren – doch wir wollen auch nicht missioniert werden.“ Doch in der Ankündigung zur „Frohen Prozession“ derbere Worte: „2.000 Jahre Verdummung und Bevormundung sind genug“, heißt es im Hinblick auf das Christentum. Die Rede ist von „klerikalem Muff“ und „weihrauchvernebelter Doppelmoral“. Wilfried Müller vom BfG fordert die Religiösen dazu auf, die „verklemmte Heuchelei“ zu beenden: „Rumbumsen ist hui, Zölibat ist pfui, und nicht umgekehrt.“ Ein Motto der Veranstaltung lautet: „Heidenspaß statt Höllenqual“.

Der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, hält ein solches Spaßmotto nicht für einen Widerspruch zum ernsthaften Anliegen der Heimkinder um Entschädigung: „Manche Dinge sind so ungeheuerlich, dass man sie nur mit Humor ertragen kann.“

Die grundsätzliche Forderung dieser Organisationen ist die Trennung von Staat und Kirche. Wie weitreichend sie diese Regel aber gerne verwirklicht sähen, wird auch an einem Manifest zum Kirchentag deutlich. Darin wird gefordert, dass sowohl der Religionsunterricht als auch kirchliche Feiertage vollständig abgeschafft werden. Die „Zwangstaufe“ solle als „Form der spirituellen Vergewaltigung“ unter Strafe gestellt werden. Religiöse Betätigung soll nach dem Willen der Verfasser nur noch in Vereinen stattfinden, die allerdings „zum Schutz der Jugend vor Verführung“ nur Volljährigen offenstehen sollen.

KARIN SCHÄDLER