„Wir lassen erzählen“

MULTIMEDIA Die neuen Medien zwingen Fotografen und Fotografinnen, neue Formate zu entwickeln. Denn Fotoreportagen für Zeitungen und Zeitschriften seien immer weniger gefragt, meint Daniel Nauck

■ Der Produzent, 31, kommt aus der Werbe- und Filmbranche und hat Fotojournalismus in Hannover studiert. Er ist Mitbegründer von 2470media – einer Produktionsfirma für Multimediareportagen. Das Start-up wurde von vier FotografInnen gegründet und 2009 für Idee und Businessplan beim Hochschulwettbewerb GründerCampus Niedersachsen ausgezeichnet. Foto: 2470media

INTERVIEW CARL ZIEGNER

taz: Herr Nauck, warum haben Sie 2470media gegründet – eine Produktionsfirma, die Fotos und Videos in ein Format bringt?

Daniel Nauck: Das ist eine Überlebensfrage. Früher wurden unsere Fotoserien in Magazinen abgedruckt. Doch das Fernsehen hat diese Art der Reportagen abgelöst. Wir waren also gezwungen, einen neuen Weg zu finden. da wir mehr wollen als nur auf Terminen zu fotografieren. Wir wollen Geschichten erzählen. Um auf uns aufmerksam zu machen, mussten wir ein neues Format ausprobieren. Da hat sich die Foto/Video-Reportage angeboten. Sie verbindet unseren Beruf mit dem Videohype, dass alles gefilmt werden muss, was sich bewegt.

Worauf legen Sie den Schwerpunkt in den Reportagen?

Traditionell sind unsere Reportagen sozial geprägt. Wir kümmern uns aber auch verstärkt um ökologische Themen und veränderte Arbeitswelten. Unser letztes Projekt dazu war der Film „Digital Nomaden“, der von der taz bestellt wurde. Der schlug in der Bloggerszene extrem ein, wurde oft gesehen und viel diskutiert. Damit haben wir den Nerv vieler Menschen getroffen, die als Selbstständige am Rechner ihr Geld verdienen.

Wie erzählen Sie die Geschichten?

Unsere Foto/Video-Reportagen sind reine Protagonisten-Geschichten. Wir lassen erzählen. Und zu den Statements stellt der Fotograf eigene Bildkompositionen, die natürlich auch wertenden Charakter haben. Die Standfotografien haben den Effekt, dass man sich emotional an die Geschichte und an den Protagonisten andocken kann, dass man hineingezogen wird.

Wozu brauchen Sie dann noch die Videosequenzen?

Uns reicht es nicht, den erzählenden Menschen nur zu hören. Mimik und Gestik spielen eine wichtige Rolle im Subkontext. Das ist wie beim Telefonieren. Viele verstehen beispielsweise ironische Aussagen nicht, weil sie das Gegenüber nicht sehen können. So ist es auch bei unseren Reportagen. Wir wollen den Menschen hinter der Geschichte zeigen, wie er spricht, sich bewegt im Kontext der inhaltsstarken Fotos.

Was sagen eigentlich Ihre Fotografen-Kollegen?

Natürlich wird da heftig diskutiert. Viele sagen, das wäre Quatsch, was wir machen. Wir würden Videofilme fürs Internet drehen. Dabei verkennen Sie, dass wir das Internet als neue Chance sehen müssen, um unseren Beruf zu retten. Hier können wir veröffentlichen, was sonst nie publiziert worden wäre und über die richtigen Kanäle viel Aufmerksamkeit generieren.

Ist die Videokritik gerechtfertigt?

Nein, das ist sie nicht. Denn wir produzieren unsere Reportagen nicht unter filmischem sondern unter fotografischem Blick. Wir sind gezwungen, über die Fotografie, also über inhaltlich starke Standbilder, die Geschichte zu erzählen. Dabei muss die Qualität hoch sein, um die richtige Wirkung zu erzielen. Denn nichts nervt mehr im Internet als zappelige Videos.