Gericht annulliert Thailands Parlamentswahl

Verfassungsgericht in Bangkok spricht sich für Neuwahlen aus. Die Opposition wird sie kaum erneut boykottieren können, obwohl die Wahlen den zurückgetretenen Ministerpräsidenten Thaksin an die Macht zurückbringen könnten

BANGKOK taz ■ Thailands Verfassungsrichter haben gestern die Parlamentswahlen vom 2. April für verfassungswidrig erklärt und mit Neuwahlen einen Weg aus der politischen Krise gewiesen. Wegen des Wahlboykotts dreier führender Oppositionsparteien waren in 276 von 400 Wahlkreisen die Repräsentanten von Ministerpräsident Thaksin Shinawatras regierender Partei Thai Rak Thai (TRT – Thais lieben Thais) ohne Gegenkandidaten gewesen. Auch durch eine Nachwahl konnten die für die Einberufung des Parlaments erforderlichen 500 Mandate nicht besetzt werden.

Nach wochenlangem politischem Gezerre, in dessen Verlauf Thaksin zurücktrat, hatte schließlich der von seinen Landsleuten hoch verehrte König Bhumipol die drei höchsten Gerichtshöfe angewiesen, eine Lösung der Krise zu erarbeiten. Eine „Ein-Parteien-Wahl“, so hatte die englischsprachige Zeitung The Nation den Monarchen zitiert, sei nicht demokratisch. Die Neuwahlen werden jetzt für Juli oder August erwartet.

Die Thaksin-Vertraute und TRT-Mitbegründerin, Agrarministerin Sudarat Keyuraphan, begrüßte gestern im Namen ihrer Partei den Gerichtsentscheid. Auch die oppositionelle Demokratische Partei (DP) erklärte ihre Bereitschaft, den Boykott aufzugeben und an Neuwahlen teilzunehmen. „Wir bereiten uns entsprechend auf einen neuen Urnengang vor, auch wenn wir hinsichtlich des Wahltages noch keine Details haben“, sagte DP-Sprecher Ong-art Klambaipoon.

Allerdings bestehen die Demokraten darauf, dass die Neuwahlen mit einer Verfassungsänderung einhergehen müssen. Diese soll die Macht des künftigen Regierungschefs von vornherein beschränken, könnte jedoch noch Monate in Anspruch nehmen.

So kann der gestrige Gerichtsbeschluss auch ein Dilemma für die Opposition bedeuten. Denn Thaksins Gegner, darunter die Volksallianz für Demokratie, hatten ihre wochenlangen Massenproteste ursprünglich mit dem Ziel initiiert, Thaksin aus dem Amt zu jagen. Sie werfen dem Exunternehmer und Milliardär, der Anfang April öffentlich seinen Rücktritt zelebriert hat, Korruption und Amtsmissbrauch vor. Zwar trat Thaksin schließlich als Premier zurück, doch ist er nach wie vor Chef der 1998 von ihm gegründeten TRT sowie Parlamentsabgeordneter. Denn durch die jetzt juristisch legitimierte Neuwahlentscheidung ist seine Rückkehr an die Spitze wieder möglich.

Zumal ein geeigneter Nachfolger in der stark auf Thaksin zugeschnittenen TRT, der wie er vor allem die zahlenmäßig starken armen Wählerschichten im Norden und Nordosten an sich binden kann, nicht in Sicht ist. Thaksin könnte der Einzige sein, der die drohende Flügelkämpfe eindämmen kann. Bereits kurz nach seiner Ankündigung, dass er in der Politik „eine Pause“ einlegen wolle, brachten sich verschiedene, teils miteinander rivalisierende TRT-Fraktionen ins Gespräch, die den nächsten Premierminister stellen wollen.

Die demokratische Opposition und die Volksallianz für Demokratie mutmaßen längst, dass Thaksin trotz aller innerparteilichen Rivalitäten weiterhin die Strippen zieht. Sollte die Opposition bei einer neuerlichen Wahl gegen Thaksin verlieren – so prophezeite schon vor Wochen der anerkannte Sozialkritiker Thirayuth Boonmi, dass dies die politischen Strukturen auf lange Zeit festigen kann –, dann wäre es der TRT vielleicht möglich, Jahrzehnte an der Macht zu bleiben. NICOLA GLASS