FDP robbt sich an grüne Wähler ran

Liberale präsentieren zum Parteitag ein „Umweltprogramm“: Ja zu Atomkraft und Energiesparen. Auch die FDP sieht den Klimawandel jetzt als „zentrales Problem“

BERLIN taz ■ Von der FDP hat man lange nichts Wohlwollendes zum Umweltschutz gehört. Den geschundenen Planeten zu retten – das passt nicht zum Image der Wirtschaftspartei. Mit einem liberalen Umweltprogramm soll sich das jetzt ändern. 22 Seiten ist das Konzept für „Innovation und Lebensqualität durch marktwirtschaftlichen Umweltschutz“ lang. Jeder kann es seit gestern im Internet lesen: Die FDP hält ab sofort den Klimawandel für das „zentrale Problem“.

Sie fordert zum Beispiel: Fluggesellschaften müssen in den Emissionshandel einbezogen werden, damit sie weniger Treibhausgase in die Luft blasen. Gebäude sollen saniert werden, damit weniger Energie zum Fenster rausgeht. Das wollen Umweltschützer auch. Es gibt aber auch klare Unterschiede zur Ökoszene. Zwar bezeichnet die FDP die Atomkraft als „Übergangstechnologie“, will die AKW aber weiterlaufen lassen. Die Gentechnik auf dem Acker will sie fördern und das Dosenpfand abschaffen.

Kommendes Wochenende wollen die liberalen Umweltschützer ihr Manifest auf dem Parteitag in Rostock verabschieden. Erneut möchte die FDP durch Programm-Profilierung der anderen Gutverdiener-Kleinpartei, den Grünen, Wasser abgraben. Vergangenes Jahr wurden deshalb zum Parteitag die Bürgerrechte wiederentdeckt.

Das haben schon viele vergessen: Einst war die FDP „die Umweltpartei in der Republik“, erzählt Martin Jänicke, der an der FU Berlin die Forschungsstelle Umweltpolitik leitet. Das war Anfang der 1970er-Jahre. Hans-Dietrich Genscher, heute FDP-Ehrenvorsitzender, war Innenminister. Er schaffte die Abteilung „U“ für Umweltschutz in seinem Ressort. Unter Genschers Regie entstanden die ersten Gesetze zur Luftreinhaltung, zur Abfallbeseitigung und zum Schutz vor Giften wie Blei. Doch dann explodierte der Ölpreis.

Der Umweltschutz geriet in Verruf, ein Jobkiller zu sein. Die FDP kündigte zudem die Koalition mit den Sozialdemokraten auf und regierte ab 1982 mit den Unionsparteien. Martin Jänicke sagt: „Fortan profilierten sich die Liberalen als Gegner der Umweltbewegung – und der Grünen“.

Heute aber sei „Umweltschutz wieder im bürgerlichen Lager angekommen“, meint der Geschäftsführer des Umweltverbandes BUND, Gerhard Timm. Seit vielen Jahren analysiert er die Umwelpolitik. Für ihn entspricht es dem Zeitgeist, dass sich die „Liberalen zum ersten Mal wieder programmatisch mit der Ökologie befassen“. Das Programm geht Umweltschützer Timm zwar nicht weit genug, für die FDP sei es aber ein „Fortschritt“ – und für die Grünen ein „Risiko“. Die grüne Klientel liebäugele längst mit den Liberalen. Das Ökoprogramm werde sie womöglich vollständig für die FDP einnehmen.

Das sieht Politikbeoabchter Jänicke anders: Die FDP brauche fünf bis zehn Jahre, bis sie „ihre Glaubwürdigkeitslücke beim Umweltschutz überwunden hat“. Da können die Grünen, die ihre Kernkompetenz derzeit wieder ausbauen möchten, ja vorher noch einmal durchatmen.

H. GERSMANN, U. WINKELMANN