Der Pole, der gegen polnische Lügen kämpft

Der parteilose Edmund Wittbrodt fürchtet, dass die positive Haltung der Polen zur EU-Verfassung kippt

Edmund Wittbrodt ist mit sehr gemischten Gefühlen nach Brüssel gereist. Zum einen hat der 59-jährige Senator vorgestern seine Tochter verheiratet, was natürlich ein Grund zur Freude ist. Er strahlt übers ganze Gesicht, wenn er davon spricht: „Hoffen wir, dass es gut geht.“ Zum anderen hat die nationalkonservative Minderheitsregierung in Warschau am Freitag Zuwachs bekommen. Mit Leppers Bauernpartei und der Liga polnischer Familien bildet sie nun eine Koalition. Dass das gut geht, kann sich Wittbrodt nicht vorstellen.

„Wenn Sie mich fragen, welche Position die neue Regierung zur EU einnimmt – ich weiß es nicht. Niemand in Polen weiß das derzeit.“ Es sei Bestandteil des Koalitionsabkommens, den Verfassungsvertrag abzulehnen, sagt Wittbrodt sichtlich schockiert. Der parteilose Senator fühlt sich zwar völlig frei, seine eigene Haltung in Brüssel zu vertreten. Doch seit er vor drei Jahren Polen im Verfassungskonvent vertrat, hat sich die politische Landschaft zu Hause radikal verändert. Er kann nur für sich selbst sprechen, nicht für die Regierung oder die Kollegen aus dem Sejm, der anderen Parlamentskammer. Einige von ihnen nehmen auch am parlamentarischen Forum teil, geben aber lieber keine Interviews.

Für Wittbrodt ist es eine „schizophrene Situation“, dass in Polen laut Umfragen sechzig Prozent der Bevölkerung die Verfassung wollen, die Regierung aber dagegen ist – „das ist ziemlich einmalig in Europa“, seufzt er. Er fürchtet, dass die von den populistischen Politikern verbreiteten Behauptungen mittelfristig einen Stimmungsumschwung bei den Wählern bewirken könnten. So kritisiere die Regierung, der neue Verfassungsvertrag gebe Polen weniger Gewicht im Rat als der Nizza-Vertrag. Dabei gehe es doch hauptsächlich darum, das Verfahren für die Qualifizierte Mehrheit zu vereinfachen – die in Nizza ersonnene dreifache Mehrheit aus Mitgliedsländern, Einwohnerzahl und gewichteten Stimmen verstehe doch kein Mensch.

„Es werden lauter Lügen über den Inhalt der Verfassung verbreitet“, klagt Wittbrodt. „Wenn zum Beispiel behauptet wird, es gebe keinen Gottesbezug in der Präambel, dann muss man doch auch sehen, dass an anderer Stelle die Stellung der Kirchen gut verankert wird.“ Wittbrodt glaubt, dass der Konvent den bestmöglichen Kompromiss erreicht hat. Daher sollte seiner Meinung nach die Ratifizierung in den EU-Staaten fortgesetzt werden, um ein Meinungsbild aus ganz Europa zu bekommen. Es sei ja ein Witz, dass die Franzosen den Text nicht wollten. Dabei habe Konventspräsident Giscard d’Estaing seine Macht benutzt, um der Verfassung einen französischen Stempel aufzudrücken.

Mit dem Antieuropäer Heathcoat-Amory wird Wittbrodt in der Arbeitsgruppe „Globalisierung und das europäische Wirtschafts- und Sozialmodell“ zusammensitzen. Was würde er ihm gern sagen? „Ich möchte ihm sagen: Wir haben im Konvent diskutiert, was wir für ein Europa wollen. Schon damals gab es einige, die nur Mindestregeln in die Verfassung schreiben wollten, aber der Konvent hat es anders beschlossen.“