Viermal Basel – für lau

Wir wollen sein ein einzig Volk von Gratislesern: Ausgerechnet in der reichen Schweiz boomt der Markt der kostenlosen Tageszeitungen. Weder Not noch Gefahr für etablierte kostenpflichtige Blätter

von RENÉ ZIPPERLEN

Mit nicht einmal 190.000 Einwohnern ist Basel nicht gerade das, was man eine pulsierende Großstadt nennt. Selbst das beschauliche Freiburg, die nächstgrößere Stadt auf deutscher Seite, übertrifft die Schweizer Chemie- und Pharmastadt mit 215.000 Bürgern noch deutlich. Und doch konkurrieren in Basel bald vier gratis erscheinende Tageszeitungen miteinander, zwei gibt es bereits, am 15. Mai stößt heute vom größten Schweizer Verlag, Ringier, dazu. In Freiburg gibt es keine einzige.

Basel aber ist nur ein Beispiel. In der ganzen Schweiz expandieren derzeit die Gratisableger der großen Zeitungsverlage. Ta-Media etwa, Mutter des Zürcher Tagesanzeigers, ist mit 20 Minuten nicht nur in Zürich, Basel, Bern, St. Gallen und Luzern vertreten, sondern neuerdings auch in der französischsprachigen Schweiz. Ringier, Verlag des Boulevardmarktführers Blick, will Heute jetzt als kostenlose Abendzeitung in den größten Schweizer Städten lancieren – geplante Auflage allein in Basel: 50.000 Stück. In ein paar Monate soll auch Cash Daily als Ableger des Ringier-Wirtschaftsmagazins Cash kostenlos erscheinen. Und alle hoffen auf’s dicke Geschäft.

Das Engagement der Verlage kommt nicht von ungefähr: 20 Minuten, mit landesweit über einer halben Million Druckauflage, gilt – anders als das kurzlebige Kölner Intermezzo des Titels vor fünf Jahren – als großer Erfolg: Dafür stehen 19 Millionen Franken (12 Millionen Euro) Gewinn 2005.

Ta-Media macht außerdem vor, dass Gratisblätter das kostenpflichtige Geschäft nicht zwangsläufig kannibalisieren müssen: Der Tagesanzeiger soll im Herbst vier neue Regionalausgaben und 80 zusätzliche Mitarbeiter bekommen. „Wir sehen Heute als Ergänzung zu 20 Minuten, nicht als Konkurrenz“, sagt eine Ringier-Sprecherin. Im Lesermarkt mag das stimmen. Anders bei den Anzeigen: Dort hofft man auf attraktive Kombiangebote mit dem Blick. Die Schweizer Bild-Variante beklagt nämlich wie das deutsche Pendant sinkende Verkaufszahlen.

Sogar Sacha Wigdorovitz, Gründer von 20-Minuten in der Schweiz, ist offenbar schon wieder auf einer Tour durch die Regionen, um Partnerverlage für ein weiteres Gratismodell zu finden. Wird nun in kleinen Städten wie Basel und Bern der heiße Kampf auf dem Anzeigenmarkt eröffnet? Der Geschäftsführer des nationalen Konkurrenten 20 Minuten, Marcel Kohler, gibt sich gelassen. „Ich glaube, die Ringier-Initiative wird den Bereich der Pendlerzeitungen generell stärken“, inklusive eines „stärkeren Anzeigenflusses in diese Kategorie“. Denn eins ist klar: Das Match wird auf dem Werbemarkt entschieden.