INDISCH ESSEN
: Vom Bock zu Gott

Ich brauchte einfach etwas zu essen und meine Ruhe

L. wollte „Reis, aber trotzdem fettig“. Also gingen wir zum Inder. Der freute sich riesig, L., D. und ich waren die einzigen Gäste. Ich bestellte Lamm mit Gemüse und erntete einen kritischen Kellnerblick. „Brauchst du Gemüse?“ Nö, brauchte ich nicht. Er empfahl mir Lamm mit Reis, also bestellte ich Mutton Korma. Auch L. bedachte mich mit kritischen Blicken, sie ist Vegetarierin. Sie braucht Gemüse. D. auch. Ich brauchte einfach etwas zu essen und meine Ruhe. Um der Fleisch-oder-nicht-Fleisch-Diskussion auszuweichen, lenkte ich unser Gespräch in Richtung Wortkunde und dass Mutton bestimmt aus dem Französischen komme, wo Schaf mouton heißt.

Da mischte sich der Kellner ein und meinte, Mutton werde aber „Matten“ ausgesprochen. Und: ob ich Russin sei. „Nein“, antwortete ich. Die Herkünfte von Worten interessierten uns gerade mehr als die eigenen. L. und D. hatten auch keinen Bock auf so eine Diskussion, L. hat einen polnischen Nachnamen, D. einen portugiesischen.

„Doch, du bist doch Russin“, fing der Kellner wieder an. Nein. Doch. Okay, von mir aus. Sind wir nicht alle ein bisschen russisch? Ich wollte nur, dass er uns in Ruhe lässt, weil mir gerade auffiel, wie cool es ist, dass Bock auf Russisch Gott heißt und auf Türkisch Scheiße. Aber der Kellner unterbrach meine geniale Assoziationskette von Lamm auf Schaf auf Bock und Bog und Bok, und meinte: „Du bist Russin, ich kann das hören, dein Akzent klingt russisch.“

Da widersprach ich dann doch, mein Deutsch ist genauso akzentfrei wie seins. Er triumphierte: „Du willst Deutsche sein, aber du bist es nicht.“ Du willst dazugehören, aber du gehörst nicht dazu.

Erst haben wir gelacht. Dann haben wir über Rassismus geredet. Und über Projektionen von eigenen Erfahrungen auf andere. Auf dem Heimweg habe ich kapiert, dass alles nur nett gemeint war. CATARINA VON WEDEMEYER