Schicke Hunde des Krieges

Die modernen Kriege sind nicht mehr ohne private Militärfirmen zu führen. Wie aus dem Söldnerwesen ein milliardenschweres globales Geschäft geworden ist, zeigt Peter W. Singer in seiner umfassenden Studie

VON THOMAS SEIFERT

Die Söldnerbosse von heute tragen keine Khaki-Hosen, Militärstiefel und Uzi-Maschinenpistolen mehr. Nein, sie treten in Hugo-Boss- oder Armani-Anzügen auf und sind Geschäftsführer internationaler „Sicherheitsfirmen“, die sich „Private Military Firms“ (PMF) nennen. Das klingt viel besser als das vorurteilsbeladene „Söldnertruppe“ und hat dazu beigetragen, die PMF im US-Verteidigungsministerium zu gerne gesehenen und respektierten Partnern zu machen.

Allein im Irak stehen 20.000 Mann bei rund sechzig verschiedenen Firmen im Sold. „[Die Armee] könnte ohne uns zwar kämpfen, aber es wäre schwierig“, meint selbstbewusst Paul Lombardi, Chef der Privatarmee-Firma DynCorp.

Die Söldnerei ist ein globales Business geworden, in dem über hundert Milliarden Dollar im Jahr umgesetzt werden. PMFs lassen sich nicht nur vom Pentagon anheuern, sie arbeiten auch für die Ölindustrie, Minengesellschaften und afrikanische Regierungen, die Rebellen bekämpfen. Der Politologe und Publizist Peter W. Singer hat nun diesen neuen Wirtschaftszweig in „Die Kriegs-AGs“ erstmals umfassend untersucht – und zeigt dessen Gefährlichkeit auf.

Die privaten Militärfirmen sind nämlich weder dem Regulativ des Kriegsvölkerrechts unterworfen noch sind sie Gegenstand der Genfer Konvention. Mit gutem Grund, denn letztlich übernimmt niemand die politische Verantwortung für das Treiben dieser Söldner. Deshalb stehen dieser Entwicklung auch zahlreiche Militärexperten kritisch gegenüber.

Es kommt hinzu: Erscheint den Söldnern ein Auftrag zu gefährlich, können sie nach Hause gehen, ohne dass ihnen Sanktionen drohen. Dass das etwa im Irak passieren könnte, fürchten einflussreiche US-Armee-Kommandeure. Auch sehen sie kommen, dass künftig das Militär die Ausbildung der Soldaten zahlt – und sich dann die besten Leute von Söldnerfirmen abwerben lassen, weil sie dort ein Vielfaches ihres Soldes verdienen können.

Kopfzerbrechen bereitet den Militärs außerdem die Verwischung der Grenzen zwischen Militär und Söldnerarmee. Als am 31. März 2004 drei Mitarbeiter der Sicherheitsfirma Blackwater auf ihrem Weg nach Bagdad eine Abkürzung durch Falludscha nehmen wollten, wurden sie vom Mob gelyncht, die leblosen Körper in Brand gesteckt und ihre verkohlten Leichen auf einer Brücke aufgeknüpft und zur Schau gestellt. Nach der Ausstrahlung der grausigen Fernsehbilder ging in den USA ein Sturm der Entrüstung los. Die US-Armee marschierte mit zwei Bataillonen in der Stadt ein – hunderte Guerillakämpfer und Zivilisten starben.

Konflikte wie dieser sind nicht ganz neu, wie Peter W. Singer zeigt. Er geht in seinem Buch bis zu den Anfängen der Kontinente umspannenden Kriegsführung zurück: Der mazedonische König Alexander der Große (356 – 323 v. Chr.) „befehligte nach der Eroberung des Perserreichs eine Streitmacht, die sich aus einer weitgehend mazedonischen Truppe zu einer multinationalen, ganz überwiegend aus angeheuerten Soldaten bestehenden Armee ausgewachsen hatte.“ Auch Hannibals (247 – 183 v. Chr.) Streitmacht war von Söldnern dominiert, seine Armee „wurde nie auf dem Schlachtfeld besiegt, scheiterte letztlich an der deutlich schlechteren materiellen und logistischen Stellung Karthagos. Der Krieg war im Grunde in dem Moment entschieden, als Rom die karthagischen Silberbergwerke in Spanien eroberte und damit dem Stadtstaat die Mittel für die weitere Finanzierung seiner großen Streitmacht raubte“, schreibt Singer.

Einen neuen Höhepunkt fand die Söldnerei im Dreißigjährigen Krieg, denn „Anfang des 17. Jahrhunderts war die militärische Gewaltanwendung zu einem kapitalistischen Wirtschaftsunternehmen geworden, das sich im Grundsatz kaum von anderen Wirtschaftszweigen unterschied, ja mit ihm eng verwoben war. Der Krieg war in der Tat zum bedeutendsten Gewerbe in Europa geworden.“

Erst die Verheerungen, die dieser Krieg angerichtet hatte, führten 1648 zum Westfälischen Frieden, der Staaten und damit nationalen Armeen stärkte. Bis ins 20. Jahrhundert wurden die Söldner schließlich in die „Zonen schwacher Staatlichkeit“ abgedrängt, so Singer. Diese Söldner waren „Glücksritter im Stil einer längst vergangenen Ära, mehr an einem Leben voller Abenteuer interessiert als an irgendwelchen beständigen Resultaten“. Doch seit dem Ende des Kalten Krieges, seit dem die gigantischen, für den Dritten Weltkrieg gerüsteten Armeen, verkleinert wurden, erleben die privaten Sicherheitsfirmen einen ungeheuren Aufschwung.

Die Gründe für diese Renaissance sieht Singer im allgemeinen Trend zu Privatisierung und Outsourcing. Er unterscheidet dabei „aktive“ Firmen, deren Mitarbeiter in Krisenzonen ihren Dienst mit der Waffe versehen, und „passive“ Firmen, die hauptsächlich logistische Unterstützung bieten. Zu ihnen gehört etwa die Halliburton-Tochter „Kellog, Brown & Root“, die für die US-Armee Basen errichtet und betreibt, für Nachschub und Instandsetzung sorgt.

Diese Privatisierung des Krieges ist risikoreich für das globale Sicherheitsgefüge und hat bedeutsame, weitreichende Konsequenzen. Ein wichtiger Wesenszug des Staates ist schließlich das Gewaltmonopol – und Privatarmeen untergraben dieses Gewaltmonopol in einem zentralen Punkt. So auch im Irak: Im Golfkrieg 1991 kamen auf einen Mitarbeiter einer privaten Militärfirma noch hundert Soldaten. Heute steht das Verhältnis bei eins zu zehn. Künftig plant das Pentagon sogar weitere 200.000 Soldaten abzubauen und durch Mitarbeiter privater Militärfirmen zu ersetzen.

Im Nachwort seines Buchs greift Singer auch noch einmal den Folterskandal von Abu Ghraib auf. Denn die USA sind im Kriegs-Outsourcing inzwischen einen Schritt weiter: Selbst Geheimdienstarbeit wird von privaten Firmen geleistet. Bis zu 50 Prozent der Verhörspezialisten in Abu Ghraib waren Mitarbeiter der Privatfirmen Titan und CACI. Dies blieb von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – bis der investigative Starjournalist Seymour Hersh vom renommierten Wochenmagazin New Yorker den Skandal von Abu Ghraib enthüllte. Die Tatsache, dass die Mitarbeiter von privaten Militärfirmen an 36 Prozent der Misshandlungen beteiligt waren, ist dann in der allgemeinen Empörung über den Folterskandal jedoch ein wenig untergegangen. Namentlich identifiziert wurden sechs Mitarbeiter von privaten Sicherheitsfirmen, die an Misshandlungen aktiv und schuldhaft mitgewirkt hatten. Gegen keinen von ihnen ist bisher Anklage erhoben worden; die US-Armee wäre zu rechtlichen Schritten gegen diesen Personenkreis auch gar nicht befugt.

Ken Silverstein, der mit dem Buch „Private Warriors“ im Jahr 2000 die Debatte um private Militärfirmen angestoßen hatte, liest sich heute beinah prophetisch: Wenn Gewalt ein am Markt handelbares Gut wird, dessen Kontrolle der öffentlichen Sphäre weitgehend entzogen ist, sei „eine Verteidigungspolitik die Folge […], die die wahren Risiken ignoriert“ und „von Profit-Interessen […] einer kleinen Gruppe von Hardlinern vorangetrieben“ wird.

Silverstein und Singer sind sich einig: Diese Branche muss rigoros vom Staat kontrolliert werden. Dass man jedoch „Hunde des Krieges“ überhaupt noch an die Leine legen kann, darf bezweifelt werden.

Peter W. Singer: „Die Kriegs-AGs“. Aus dem Amerikanischen von Karl Heinz Siber, Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2006, 502 Seiten, 27,90 EuroKen Silverstein: „Private Warriors“. Verso, New York 2000, 268 Seiten, 22,50 EuroWeniger kritisch, dafür mehr akademisch: Deborah D. Avant: „The Market for Force. The Consequences of Privatizing Security“. Cambridge University Press, New York 2005, 310 Seiten, 29,40 Euro