Deutsche Mädchen im Jemen wieder frei

ENTFÜHRUNG Saudische und jemenitische Sicherheitskräfte befreien zwei Kinder einer verschleppten Familie. Das Schicksal der Eltern und des jüngeren Bruders ist unklar. Über die Täter ist bislang nichts bekannt

Das Grenzgebiet zwischen Saudi-Arabien und Jemen war bis vor kurzem der Schauplatz eines Krieges

KAIRO taz | Zwei Kinder einer vor elf Monaten im Jemen entführten deutschen Familie sind frei. Sie wurden im Nordjemen von saudischen Sicherheitskräften gefunden. Dabei ist offenbar kein Schuss gefallen.

Der Sprecher des saudischen Innenministeriums, General Mansur Turki, betonte am Dienstag, es habe sich nicht um eine militärische Befreiungsaktion, sondern um eine Rettungsaktion gehandelt. Man habe Informationen erhalten und in Kooperation mit den jemenitischen Sicherheitskräften gehandelt. Die beiden vier und sechs Jahre alten Mädchen befänden sich in einem saudischen Krankenhaus, begleitet von Vertretern der deutschen Botschaft. Nähere Angaben über die Rettungsaktion machte er nicht. Über den Verbleib der beiden Eltern gab er keine Informationen. Auch Meldungen, dass die Leiche des jüngeren Bruders der Mädchen gefunden worden sei, bestätigte er nicht.

Die fünfköpfige deutsche Familie, die aus Sachsen stammt, war im Juni vergangenen Jahres bei einem Ausflug in einem Wadi in der Nähe der nordjemenitischen Stadt Saada entführt worden. Sie war gemeinsam mit zwei Bibelschülerinnen aus Nordrhein-Westfalen, einem britischen Ingenieur und einer südkoreanischen Lehrerin verschleppt worden. Die Bibelschülerinnen und Lehrerin waren wenige Tage danach ermordet aufgefunden worden.

Sie alle hatten einen missionarischen Hintergrund. Die Eltern der beiden jetzt freigekommenen Mädchen arbeiteten in einem Krankenhaus im Nordjemen und sollen sich beim Missionswerk WEC auf ihren Einsatz als Haustechniker und Krankenschwester vorbereitet haben. Genauso wie der mit ihnen verschwundene Ingenieur. Auch die drei ermordeten Frauen hatten eine missionarische Ausbildung durchlaufen. Es ist nicht bekannt, ob die Entführten im Jemen in ihrer Mission „Dienst am Menschen“ geleistet haben oder ob sie aktiv versucht haben, Muslime zum Christentum zu bekehren. Letzteres ist in islamischen Ländern verboten und gilt als Tabu.

Wer genau hinter der Entführung steckt, bleibt unklar. Die jemenitische Regierung hat mehrmals erklärt, die Entführer operierten im Dunstkreis al-Qaidas. Von deren Seite wurden aber keine Videos oder Bekennerschreiben ins Internet gestellt, um damit Forderungen zu verbinden. Allerdings ist es bei Entführungen im Jemen, hinter denen oft die Stämme stecken, die damit offene Rechnungen mit der Regierung begleichen, unüblich, die Geiseln zu töten. Das ist bisher nur geschehen, wenn militante Islamisten hinter den Verschleppungen standen.

Das Grenzgebiet zwischen Saudi-Arabien und Jemen, in dem die Deutschen offensichtlich gefangen gehalten worden waren, war noch bis vor wenigen Wochen Schauplatz eines Krieges zwischen aufständischen schiitischen Huthi-Rebellen, die gegen die Zentralregierung im Jemen gekämpft hatten und später auch mit der saudischen Armee in Gefechte verwickelt wurden. Im Februar haben alle Seiten einen Waffenstillstand vereinbart, seither war es in der Region relativ ruhig und die regulären jemenitischen und saudischen Truppen können sich dort wieder ungehindert bewegen. Dies hat möglicherweise auch zur Freilassung der beiden deutschen Kinder geführt.

Der Krieg hat gezeigt, wie eng die schlecht ausgerüstete jemenitische Armee und die weitaus besser gewappneten saudischen Sicherheitskräfte inzwischen in dem Grenzgebiet kooperieren. Die saudische Armee hatte zunächst die Rebellen von ihrer Seite der Grenze mit Artillerie unter Beschuss genommen, später operierte das saudische Militär auch auf jemenitischem Boden. Die Freilassung der beiden Mädchen ist ein weiterer Beweis für diese enge Zusammenarbeit.

KARIM EL-GAWHARY