Schutzraum für betuchte Kunden

UMBAU Von den bis zu 650 Bunkern, die es in Hamburg gibt, könnten zwei Drittel anders genutzt werden, sagt Forscher Ronald Rossig. Bei Investoren wecken die Relikte aus Kriegszeiten Begehrlichkeiten, denn sie liegen oft in beliebten Lagen

Die markanten Bauten sind teuer, zielen entsprechend eher auf einen Nischenmarkt für betuchte Käufer

VON SEBASTIAN BRONST

Der beindicke Hydraulikmeißel arbeitet sich dröhnend durch den Stahlbeton. Grauer Staub legt sich über die Baustelle am Eilbeker Weg. Der große Abrissbagger quält sich mit wummerndem Motor durch die mehr als einen Meter dicke Bunkerwand, auf der noch gelblich-grüne Leuchtfarbenstreifen und das Hinweisschild „Küche“ an die ursprüngliche Verwendung des massiven Gebäudes als Schutzraum erinnern.

Mehr als 1.000 Menschen bot der Hochbunker in Eilbek während des Zweiten Weltkriegs Zuflucht vor Bomben, noch bis 1997 hielten ihn die Behörden als sogenannte Zivilschutzanlage in Reserve. Doch das ist nun Geschichte: Der massive Betonklotz wird nahezu völlig abgerissen und zu einem luxuriösen Loft-Haus umgebaut.

Nur zwei Außenwände bleiben stehen und werden in das neue Gebäude integriert. „Wir haben damit eine Fassade, die einmalig ist“, sagt Architekt Rainer Mielke, der sich auf den Umbau von Bunkern spezialisiert hat und das Projekt verantwortet. Zugleich bleibe „ein Stück Geschichte“ erhalten.

Umnutzung nennt sich die aufwändige Umgestaltung der alten Schutzbauten aus den vergangenen heißen und kalten Kriegen – und die Idee stößt auch in Hamburg auf Interesse von Investoren: Angesichts steigender Nachfrage nach neuem Wohnraum werden aus modrigen Schutzräumen, die bestenfalls noch als Lagerräume dienten, nun schicke Wohnungen und Bürokomplexe.

„Gott sei Dank brauchen wir alle diese Bunker nicht mehr“, sagt Marc Antonio Unverzagt von der Immobilienberatungsfirma Robert C. Spies, die das Projekt in Eilbek in die Tat umsetzt. Sein Unternehmen ist sich sicher: Das Marktsegment wird künftig wachsen. Denn die ausgedienten Schutzbauten finden sich oft in Innenstadtlagen, wo Wohnraum Mangelware geworden ist.

„Da in dicht bebauten Städten wie Hamburg nur begrenzt Neubauflächen verfügbar sind, werden Revitalisierungsmaßnahmen wie diese in Zukunft tendenziell zunehmen“, sagt auch Geschäftsführer Stefan Albert. Durch moderne Bautechnik könnten die Bunker inzwischen flexibel umgebaut werden. Blieb früher meist nur der Abriss, gibt es inzwischen dank ausgefeilter Spreng- und Betonschneidemethoden ganz andere Möglichkeiten.

Ehemalige Zivilschutzbunker wie der in Eilbek gehören dem Bund, andere der Stadt Hamburg. Die öffentliche Hand hat ein großes Interesse daran, die nach dem Ende des Kalten Kriegs nutzlos gewordenen Bauten zum Wohl der Staatskasse zu verkaufen und Kosten zu sparen. Neun Bunker hat die für die Bundes-Bunker zuständige Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in den vergangenen drei Jahren in Hamburg schon meistbietend versteigert, zwei weitere sollen folgen.

Die Behörde wirbt intensiv für die Umnutzung und startete unter dem Motto „Faszination Bunker“ unter anderem schon einen bundesweiten Ideenwettbewerb, der weitere Investoren inspirieren soll. Doch auch wenn es sich in der Sprache der Marketingstrategen mitunter so anhört, als wäre das Leben im Bunker der neue Trend auf dem großstädtischen Immobilienmarkt: Insgesamt ist die Entwicklung bislang dann doch noch recht überschaubar.

Die wenigen markanten Umbauvorhaben wie das Eilbeker Projekt sind teuer und zielen entsprechend eher auf einen Nischenmarkt für betuchte Käufer mit dem Wunsch nach individuellen, nicht ganz alltäglichen Wohnungen. Die zwölf Eigentums-Lofts, die dort entstehen, sind für 440.000 Euro bis 505.000 Euro je Einheit zu haben.

Auch die Zahl der Umbauten fällt bei der Zahl der existierenden Schutzbauten kaum ins Gewicht. Etwa 600 bis 650 Bunker gebe es in Hamburg, sagt Ronald Rossig, Vorsitzender des Vereins „Unter Hamburg“, der sich um die fundierte zeitgeschichtliche Erforschung des Themas bemüht. Die meisten davon sind unterirdische Bauten wie die im Zweiten Weltkrieg weit verbreiteten Röhrenbunker, die für Umnutzungen uninteressant sind.

Auch Rossig hat nach eigenem Bekunden schon ein wachsendes Interesse etwa junger Stadtplaner an alten Bunker festgestellt. Das Wohnen in solchen Objekten sei außerdem für einige Menschen interessant. „Es besteht ein gewisser Bedarf an Individualität.“

Von einem Trend aber will er angesichts der begrenzten Dimensionen nicht sprechen. Auch mit Blick auf die Folgen für das historische Erbe bleibt der Experte gelassen. „Es gibt einfach viel zu viele Bunkerbauwerke“, sagt er. Von den Hamburger Bunkern könnten nach seiner Einschätzung mit Blick auf ihren meist sehr geringen historischen Wert „locker zwei Drittel weg“.

Zwar verliere die Stadt mit jedem Bauwerk auch einen Teil ihrer Geschichte, aber nicht jeder Bunker sei automatisch schützenswert, meint Rossig. „Nur wenn aus Profitgier ein historisch wertvolles Objekt wegkommt, dann wäre ich sauer.“