ARD wird amtlich kontrovers

GELÄUTERT Die Filmeinkaufsgesellschaft Degeto will das jahrelange Schnulzenschnitzen beenden

Das kann ja heiter werden. Oder eher doch nicht. Die Degeto, die über jahrzehntelanges Schnulzenschnitzen und Geldverbraten ins Schlingern geratene Filmeinkaufsgesellschaft der ARD, hat eine neue Geschäftsführerin. Christine Strobl greift hart durch: Sie will die Ära der Traumhotels, der tapferen Ärztinnen und der erwartbaren 21.45-Uhr-Schluss-Küsse beenden. Das versprach sie beim „Tag der Dramaturgie“, einem alljährlich vom Verband für Film- und Fernsehdramaturgie ausgerichteten Branchentreffen.

„Dämliche Dialoge“, „auch gute Darsteller können keine schlechten Filme retten“, „Zuschauer nicht unterschätzen“ – Strobl klang wie die bissigsten ihrer KritikerInnen, als sie das neue Konzept am Samstag in Berlin darlegte. Klischees wolle man vermeiden, innovative Plots zulassen, gesellschaftlich relevante Themen und die Schauspielerriege endlich mal ganz ausschöpfen. Amtlich kontrovers soll also werden, was demnächst um 20.15 Uhr im Ersten flimmert.

Ob man allerdings beim Zapping durch die Wochenend-Primetime tatsächlich bei Problemdiskursen und visueller Wildheit hängen bleibt, ist fraglich: Am ARD-Freitag könne man sich noch nicht komplett vom bislang üblichen Kitsch verabschieden. „Auch eine Beerdigung kann ein Happy End sein“, sagte die Degeto-Chefin, es käme natürlich auf den Stoff an.

Die ARD-Tochter produziert im Jahr 36 Filme in dieser „warmen Tonalität“, die zuzüglich der Wiederholungen 80 Prozent des ARD-Programms ausmachen, das alles für 160 Millionen Euro – für die von der Degeto redaktionell betreuten Filme.

Die Gesamtsumme, die jedes Jahr für Lizenzen, Koproduktionen und Abwicklungen durch die Firma läuft, beträgt 400 Millionen.

In fünf Jahren soll die Rundumerneuerung abgeschlossen sein, hofft Strobl. Dass es selbst bei so hehren Vorsätzen an der Umsetzung hapern könnte, liegt am Konsum selbst: Die umschwärmte jüngere Zielgruppe, die längst andere Formate, Verfügbarkeiten und Geschwindigkeiten gewöhnt ist, zieht man auch mit ein paar mutigeren Themenschwerpunkten vermutlich nicht vor die Glotze. Genauso wenig wie mit dem Eventfilm und neuen Serien, selbst wenn diese mehr „Lokalkolorit“ aufweisen. Es sei denn, sie können in der Machart mit internationalen Glanzlichtern des Serienuniversums mithalten.

Uriges bringt der Degeto-Neustart jetzt schon zu Tage: einen Krimi mit Daniela Katzenberger. Der Mannheimer Dialekt mache die Katze zu einer extrem erfrischenden Darstellerin, so Strobl. Das klingt so irre, dass es schon wieder funktionieren könnte. Die unsägliche Krimiserie „V.I.P. – The Bodyguards“, in der Pamela Anderson ihre Highheels im Dienste einer Securityfirma einsetzt, lief schließlich vier Jahre lang. JENNY ZYLKA