Gebetsraum für Kambodscha

TEMPELSTREIT Das zwischen Thailand und Kambodscha umstrittene Gelände um den Preah-Vihear-Tempel geht endgültig an Phnom Penh, urteilt der Gerichtshof in Den Haag

Den Tempelstreit nutzen Monarchisten in Thailand gern für innenpolitische Zwecke

AUS BANGKOK SASCHA ZASTIRAL

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat am Montag ein umstrittenes Stück Land, das einen Khmer-Tempel aus dem 11. Jahrhundert im Grenzgebiet zwischen Thailand und Kambodscha umgibt, endgültig Phnom Penh zugesprochen. Die Richter forderten thailändische Soldaten und Polizisten auf, sich aus dem Gebiet zurückzuziehen.

Die Richter bestätigten auch ein Urteil desselben Gerichts aus dem Jahr 1962, in dem der Preah-Vihear-Tempel und das umgebende Land Kambodscha zugesprochen worden waren. Thailand hatte das Urteil nie ganz anerkannt und mal mehr, mal weniger deutliche Ansprüche auf den Tempel erhoben. Immer wieder kam es zu Schießereien zwischen Soldaten beider Seiten.

Nach den letzten tödlichen Schusswechseln Anfang 2011 bat Kambodscha – begleitet von Protesten der zuvor mit Hilfe des Militärs installierten Regierung in Bangkok – den Internationalen Gerichtshof um eine Klarstellung des Urteils von 1962.

Thailands Nationalisten dürfte der Richterspruch in Rage versetzen. Sie hatten schon 2008 mit hasserfüllten Protesten und Aufrufen zu einer bewaffneten Konfrontation reagiert, als die Unesco den Tempel auf Antrag Kambodschas zum Weltkulturerbe unter kambodschanischer Verwaltung erklärt hatte. Auf die damalige Entscheidung folgten sporadische Schusswechsel in der Nähe des historischen Gebäudes. Die besonders lautstarke – aber an Mitgliedern schwache – Gruppe Thai Patriotic Network hat bereits angekündigt, sich dem Urteil des Internationalen Gerichtshofs zu widersetzen. Die konservative Tageszeitung Bangkok Post bezeichnete den Richterspruch in Den Haag am Montag als „Albtraum-Urteil“.

Thailands Premierministerin Yingluck Shinawatra rief am Montag zur einvernehmlichen Lösung des Konflikts auf. „Wir müssen zusammenarbeiten, um unserer Nationen willen.“ Die monarchistischen Demonstranten in Bangkok, die derzeit zum Sturz der 2011 demokratisch gewählten Regierung aufrufen, dürften versuchen, das Urteil zu ihren Gunsten auszuschlachten. Seit anderthalb Jahren versuchen verschiedene Gruppen, Massenproteste der Elite und Mittelschicht in Bangkok gegen die Regierung auf die Beine zu stellen, wie es sie 2006 und 2008 gab. Bisher ohne Erfolg.

Seit zwei Wochen ist das jedoch anders. Am Montagabend versammelten sich im historischen Teil Bangkoks mehrere tausend Regierungsgegner. Sie lehnen einen Regierungsentwurf ab, der es dem umstrittenen früheren Premierminister Thaksin Shinawatra erlauben würde, ungestraft nach Thailand zurückzukehren. Thaksin, der seine Machtbasis vor allem bei der ländlichen Bevölkerung im Norden hatte, war 2006 von der Armee aus dem Amt geputscht und später wegen angeblicher Korruption zu zwei Jahren Haft verurteilt worden.