Der Kampf um Tempelhof

Der ehemalige Flugplatz Tempelhof soll umgebaut werden. Mit einem Volksbegehren und einer Klage versuchen Umweltschützer und Anwohner, den Freiraum zu erhalten

Informationen und Unterschriftenlisten zum Volksbegehren gibt es online unter: www.thf100.de

Termine Immer Montags lädt die Initiative „100% Tempelhofer Feld“ zum offenen Treffen für UnterstützerInnen ein, 18 Uhr, im Kampagnenbüro, Schillerpromenade 31

Halbzeitparty Am Freitag, 15. November, ab 20 Uhr, im Schiller’s, Schillerpromenade 26

Kampf der Kulturen: Wie so oft in Berlin, wenn es um die Stadtentwicklung geht, klaffen Vorstellungen und Wünsche weit auseinander. Umweltschützer, Anwohner und viele Besucher wollen den wilden, urwüchsigen Charakter des Tempelhofer Feldes erhalten – die Kräuterwiesen und Kornfelder, den Himmel bis zum Horizont. Sie lieben den Charme, den der ehemalige Großflugplatz als Industriebrache entfaltet. Tatsächlich wird die Freifläche, so wie sie ist, intensiv genutzt. An schönen Tagen strömen Zehntausende Besucher auf das Feld.

Auf der anderen Seite stehen der Senat, genauer die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, und im Hintergrund die privaten Investoren. Berlin braucht Wohnraum. Baugrundstücke innerhalb des S-Bahn-Rings werden langsam rar. Dreieinhalb Jahre nach der Öffnung des Feldes ist der Masterplan, der die zukünftige Nutzung festlegen soll, fertig. Wie heutzutage üblich, kommen die Pläne gewohnt technokratisch daher – geometrische Formen überlagern das Wiesenmeer und massive Baukörper bestimmen die Randbebauung. Große Teile des Geländes sollen den Berlinerinnen und Berlinern aber auch weiterhin als Park erhalten bleiben.

Und wie so oft in Berlin, wenn es um Stadtentwicklung geht, arbeiten beide Interessengruppen parallel auf ihre Ziele hin. Ein ernsthaftes Dialogverfahren und Kompromisslinien scheinen nicht in Sicht.

Mit einem Volksbegehren will die Initiative „100% Tempelhofer Feld“ die Umgestaltung des Geländes verhindern. Sie fordert einen Planungsstopp, so lange nicht alle Berlinerinnen und Berliner über die Zukunft des Tempelhofer Feldes entschieden haben. Die Initiative spricht sich grundsätzlich gegen eine Bebauung aus und möchte den einzigartigen Charakter des Feldes als innerstädtischen Natur- und Erholungsraum erhalten.

Der Senat drückt derweil aufs Tempo. Für vier größere Areale gibt es bisher Aufstellungsbeschlüsse, und die Planung am Tempelhofer Damm und am südlichen S-Bahn-Ring ist weit vorangeschritten. Theoretisch könnten jetzt die Bagger rollen und mit vorbereitenden Baumaßnahmen beginnen, aber der zuständige Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Michael Müller, hat versprochen, bis zum Ende des Volksbegehrens beziehungsweise des anschließenden Volksentscheides keine Bauarbeiten zu beginnen. Dies bestätigte eine Sprecherin der Senatsverwaltung noch einmal gegenüber der taz, schränkte aber ein: „Trotzdem sind natürlich Arbeiten auf dem Tempelhofer Feld durchzuführen, die ggf. einen Bauzaun und einen Bagger benötigen. So zum Beispiel zur Beseitigung von Altlasten des Flughafenbetriebes, für archäologische Grabungen und Ausbesserungsarbeiten.“

Tatsächlich stehen die ersten Bauzäune schon. Vor dem ehemaligen Flughafengebäude soll ein 4,5 Fußballfelder großes Wasserbecken entstehen. das Projekt ist als Regenwasserauffangbecken geplant und mit 11 Millionen Euro veranschlagt. Mit dem Aushub des Beckens soll zudem ein bis zu 3 Meter hoher und 70 Meter breiter Damm zwischen den Landebahnen errichtet werden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) klagt gegen das Vorhaben, da die vorgeschriebene öffentliche Beteiligung hier nicht stattgefunden habe und die Maßnahme mehr als sechs Hektar gesetzlich geschützte Biotope vernichten würde. Nach Ansicht des BUND Berlin ist dies weder mit einer behutsamen Entwicklung des Tempelhofer Feldes noch mit dem Naturschutzrecht vereinbar. Der BUND unterstützt auch das Volksbegehren. Pressesprecherin Carmen Schultze begründet dies vor allem mit der mangelhaften Bürgerbeteiligung bei den Planungen. „Mit einem Erfolg des Volksbegehrens kehrt sich die derzeitige Konstellation um“, erklärt Schultze. „Wer auf dem Tempelhofer Feld bauen wolle, müsse zunächst für eine breite Akzeptanz sorgen, statt über die Köpfe der Berlinerinnen und Berliner hinweg zu entscheiden.“

Bis zu einem erfolgreiche Volksbegehren ist es noch ein Stück weit hin. Über 200.000 Unterschriften benötigt die Initiative. Vier Monate haben sie insgesamt Zeit dafür. Nach 2 Monaten ist nun Halbzeitstand. 57.000 Unterschriften wurden bisher gesammelt. Aber die Aktivisten von „100% Tempelhofer Feld“ sind verhalten optimistisch: „Im Vergleich zu den anderen Volksbegehren sind wir recht erfolgreich“, heißt es im Kampagnenbüro. Es wird auf den Energietisch verwiesen, der zur Halbzeit nur 46.000 Unterschriften hatte. „Trotzdem ist noch viel zu tun und wir sind auf die Unterstützung jedes Einzelnen angewiesen, zumal auch die Weihnachtsferien vor der Tür stehen“, warnt ein Aktivist. Sollten genügend Unterschriften zusammenkommen folgt darauf der Volksentscheid, eine berlinweite Abstimmung über die Zukunft des Tempelhofer Feldes. JÖRN ALEXANDER