Wasserdicht endlich öko

ERFINDUNG Eine neue Membran für Outdoorjacken verzichtet auf Klimakiller und imprägniert ungiftig. Außer für Extremisten reicht das locker

VON LUTZ DEBUS

Die Werbung für Outdoorkleidung zeigt das Ideal. Glückliche Menschen wandern durch unberührte Landschaften. Dabei werden sie durch moderne Kleidung perfekt geschützt. Dass sich die Realität von der Illusion der bunten Bilder unterscheidet, hat im Herbst 2012 eine Greenpeace-Studie gezeigt. So unberührt ist die Natur nämlich nicht, denn die Allwetterjacken vieler Hersteller sind mithilfe eines Giftcocktails produziert. Spuren jener Chemikalien lassen sich mittlerweile sogar in der Tiefsee und im arktischen Eis feststellen.

Viele Hersteller haben auf die Kampagne der Umweltschützer inzwischen reagiert. Synthetische Materialien wurden in vielen Fällen durch Mais, Kokos oder Hanf ersetzt. Die Bilanz ein Jahr nach Veröffentlichung der Studie von Greenpeace fällt jedoch durchwachsen aus.

Manfred Santen, zuständig für das Thema Chemie bei Greenpeace, sieht nach wie vor viel Handlungsbedarf. Noch immer werden bei der Herstellung von Outdoorbekleidung perfluorierte und polyfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC) verwendet. Diese Stoffe sind wegen ihrer chemischen Stabilität nicht abbaubar. Einige dieser Substanzen sind nachweislich krebserregend, andere greifen in den Hormonhaushalt von Tieren und Menschen ein. Sowohl in der Membran, die den erwünschten Effekt verschafft, dass ein Textil sowohl wasserdicht wie atmungsaktiv ist, als auch bei der Imprägnierung, die Regenwasser abperlen lässt, sei auf PFC nicht zu verzichten, argumentieren viele Hersteller.

Von einigen in der Greenpeace-Studie gebrandmarkten Substanzen habe man sich schweren Herzens getrennt, um sie durch andere, die schwerer nachzuweisen sind und deren Schädlichkeit noch nicht bewiesen ist, zu ersetzen, so Manfred Santen. Die Industrie spiele so mit den Aufsichtsbehörden „Hase und Igel“. Deshalb fordert Greenpeace, nicht nur auf einzelne Substanzen, sondern auf die gesamte Gruppe der Fluorkohlenwasserstoffe zu verzichten.

Ähnlich sieht dies Markus Blepp vom Öko-Institut Freiburg. „Bei etwa 7.000 verschiedenen Zubereitungen, die in der Textilindustrie benutzt werden, ist eine Kontrolle schwierig.“

Es gibt aber auch Alternativen zur konventionellen Outdoorkleidung. Die Firma Pyua zum Beispiel produziert ihre Wintersportmode völlig ohne Fluorverbindungen. Sie bezieht die Membran von dem Lieferanten Paltex. Dieser verbindet Polyester mit aus Pfandflaschen bekanntem PET, schießt aber mit Lasern winzige Löcher hinein und macht sie so atmungsaktiv wie die fluorhaltigen Teflongewebe.

Pyua sorgt sich auch um einen geschlossenen Rohstoffkreislauf. Zunächst habe man versucht, so Martin Aegerter von Pyua, die gebrauchten Jacken über den Handel mit einem Pfandsystem wieder zurückzubekommen. Dieser Weg erwies sich als zu aufwendig.

Gute Erfahrungen habe man mit einer Textilrecyclingfirma in Hamburg gemacht, die Altkleider aus den Sammelcontainern sortiert und die gebrauchten Produkte von Pyua an den ursprünglichen Hersteller verkauft. Ähnlich verfahren berühmte Markenhersteller, allerdings nicht, um ihre Kleidung zu recyceln, sondern um das Angebot an Secondhanddesignermode zu verknappen.

Pyua hingegen zerlegt die Jacken in ihre Bestandteile, um daraus neue herzustellen. Doch der Rücklauf sei noch nicht bedeutend, denn es gibt diese Marke erst seit fünf Jahren. Qualitativ hochwertige Wintersportkleidung, so Aegerter, könne sehr viel länger getragen werden.

Bleibt die Frage, ob die fluorfreie Wintersportmode den gleichen Anforderungen entsprechen kann wie die, die mit PFC hergestellt wird. Eine Membran, die ohne Fluorchemie produziert wurde, so erklärt Greenpeace-Kampaigner Santen, habe vergleichbare physikalische Eigenschaften. Etwas anders verhält es sich mit der Imprägnierung. Untersuchungen zeigten, dass diese, wenn sie Fluoride enthält, erst nach 30 Maschinenwäschen entfernt ist.

Alternative Imprägnierungen aus Wachs, Paraffin oder Silikon seien schon nach 20 Maschinenwäschen hinüber. Allerdings können die Kleidungsstück jederzeit neu imprägniert werden. Die fluorfreie Imprägnierung hat einen weiteren Nachteil, sie ist nicht ölabweisend. Dafür aber belasten so imrägnierte Kleidungsstücke nicht die Umwelt.

Insgesamt macht sich auf dem Outdoorbekleidungsmarkt, der 2010 einen europaweiten Umsatz von 4,5 Milliarden Euro verzeichnete, aber ein ganz anderer Trend bemerkbar. Die großen Hersteller bieten immer mehr Kleidung für Extremsituationen an. Statt „schneller, höher, weiter“ gilt „dichter, wärmer, teurer und giftiger“. Jacken, die für eine Himalaja-Überquerung geeignet sind, werden von ihrem Besitzer dann aber doch oft nur dazu benutzt, zwischen Parkhaus und Büro nicht nass zu werden. Die Jacke mit der großen Tatze am Oberarm verschafft ihrem Käufer anscheinend ein ähnliches Freiheitsgefühl wie der Geländewagen auf der Stadtautobahn.