WORAN GLAUBEN?

Darf man Kunst beschränken?„Man“ darf die Kunst in keinem Fall beschränken. Eine andere Frage ist es, ob es nicht Anlässe gibt, in denen es geraten erscheint, dass sich Künstlerinnen und Künstler selbst eine Beschränkung auferlegen. Ein Maßstab kann der Respekt vor einer anderen Anschauung, auch einem Glauben sein, es sei denn, der, auf den Rücksicht genommen wird, gebärdet sich selbst rücksichtslos, anmaßend und menschenverachtend. Dann kann es keine Schranke geben. Die Frage nach schrankenlosem Glauben kann ich nur für mich beantworten. Ich bemühe mich um einen schrankenlosen Glauben, ohne alles zu glauben, was mir angetragen wird. Der Glaube ist [...] eine ständige Auseinandersetzung mit mir selbst, bei der ich aber sehr genau darauf achte, welche Impulse, Ansichten, Mahnungen, Erklärungen ich für mich akzeptiere.Gibt es nur eine Wahrheit?[...] Der Blick in Geschichte und Gegenwart lässt zumindest erkennen, dass es ein sehr unterschiedliches Verständnis von dem gibt, was wir mit dem Begriff Wahrheit meinen. Unabhängig davon ist es schon so, dass ich von der Wahrheit meines Glaubens überzeugt bin. Das bedeutet aber nicht, dass ich versuche, mein Wahrheitsverständnis als allein gültig zu betrachten und anderen Menschen dieses Verständnis aufzuzwingen. Vielmehr hoffe ich immer wieder, dass ich den Menschen, die mich kennen, etwas davon in meiner Lebenspraxis vermitteln kann, was ich als wahr erachte.Warum ist das Paradies nicht auf Erden?Wenn ich dies beantworten könnte [...], dann hätte ich darüber mindestens ein Buch geschrieben. So aber muss ich mich bescheiden und Zuflucht nehmen zu den Bildern auch meines Glaubens: Das Paradies auf Erden scheitert an mir. Ich bin nicht fähig, in meiner Existenz für „paradiesische Verhältnisse“ zu sorgen, weil ich eine Existenz in Sünde bin. Alle Versuche von Menschen, das Paradies auf Erden zu schaffen oder es zu versprechen, haben nur zu immensem Leid von anderen Menschen geführt. Dennoch ist in jedem Mensch etwas angelegt, was ihn Harmonie, gegenseitige Liebe, Verzicht auf Gewalt, Ausgleich von Gegensätzen, ungetrübte Schönheit, Überwindung der Vergänglichkeit zumindest zeitweise ersehnen lässt. [...]

Jörg Hoffmann, 1944 in Crossen an der Oder geboren, lebt in Duisburg. Nach einem Lehrerstudium ist er heute bei der Bezirksregierung Düsseldorf als schulfachlicher Dezernent für Gymnasien zuständig. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ein Enkelkind und ist Mitglied der evangelischen Kirchengemeinde Alt-Duisburg.

Darf man Kunst beschränken? „Man“ gibt es ja gar nicht. Es gibt Sie, der mich fragt, und mich, der antwortet und diejenigen, die wir verehren oder zumindest gut finden, die, die uns egal sind und die, die uns nerven, aber auch die, die wir hassen. Also all diejenigen können Kunst beschränken. Ich beschränke Kunst, indem ich sie wahrnehmen will und deshalb wahrnehmbar präsentiert haben möchte. Ob „man“ alles glauben kann, weiß ich nicht, weil ich diesen „man“ wirklich nicht kenne, aber ich kann für mich sagen, dass ich in meiner existenziellen und biologischen Einschränkung soviel, wie es nur geht, glauben möchte. Glauben an das Schöne, Gemeinsame, Liebevolle, aber auch an Spannungen, Kämpfe, Trotzigkeit, Mut und Ausdauer und nicht zuletzt an mich selbst.Gibt es nur eine Wahrheit? Die hängen einfach von unserem Zahlensystem ab. Im binären gibt es nur zwei.Warum ist das Paradies nicht auf Erden?Es ist eine Frage der Zeit, wie sich uns ein Ideal (das Paradies) darstellt. Es ist eigentlich eine Zeitdifferenz zwischen der Gegenwart und dessen Wahrnehmung. Kaum haben wir sie begriffen, ist sie uns schon in die Vergangenheit entschwunden. Aber auch das Vorgestellte kommt nie so vor, wie es angedacht war; das Paradies ist eine Intensität zwischen dem „Noch nicht“ und dem „Nicht mehr“ und sie macht unsere Gegenwart spannungsvoll und agil.

Vito Orazem, 46, wurde in Ljubljana/Slowenien geboren und lebt heute in Essen. 1998 nahm der Künstler und Designer in Dortmund mit einer Holografie-Installation an der Ausstellung „Reservate der Sehnsucht“ teil. Er ist Atheist und arbeitet als Medienwissenschaftler im Design Zentrum Nordrhein-Westfalen auf Zollverein.