Bildung vor Religion

GERICHT Christliche Kirchen äußern Kritik am Urteil des Oberverwaltungsgerichts, wonach ein muslimischer Gymnasiast nicht länger in der Schule beten darf

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat die Klage eines 16-jährigen Jugendlichen auf Abhaltung eines muslimischen Mittagsgebets in seiner Schule abgewiesen. Yunus M. sei nicht berechtigt, das rituelle Gebet während der Pause auf dem Schulgelände des Diesterweg-Gymnasiums zu verrichten, sagte die Vizepräsidentin des Gerichts, Hildegard Fitzer-Steinmann. Damit korrigierte das Gericht ein anderslautendes Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom September 2009. Die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen. (OVG 3 B 29.09)

In seiner Entscheidung betonte das OVG, dass kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf einen Gebetsraum an der Schule bestand. Allen Schülern nach dem Gleichheitsgrundsatz die Möglichkeit zur Religionsausübung zu gewährleisten, würde ihre Möglichkeit übersteigen, sagte Fitzer-Steinmann.

Die Schule sei zwar zur Neutralität verpflichtet, aber kein religionsfreier Raum, erklärte demgegenüber die Sprecherin der evangelischen Landeskirche, Heike Krohn. Auch Schüler hätten das grundgesetzlich verankerte Recht auf Religionsausübung. „Beten kann man nicht einfach verbieten“, erklärte der Sprecher des katholischen Erzbistums Berlin, Stefan Förner. Er verwies zudem auf Ausführungsbestimmungen der Senatsbildungsverwaltung, wonach die Schulen gehalten seien, den Religionsgemeinschaften kostenlos Gebetsräume zur Verfügung zu stellen.

„Mit dem Urteil kann man leben“, erklärte dagegen der Vorsitzende des Türkischen Bundes, Kenan Kolat. Wie auch der Lesben- und Schwulenverband begrüßte er, dass darin der Bildungsauftrag vor die Religionsfreiheit gestellt worden sei. (epd)

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