Auf der Suche nach Schutz

GEWALT II Obwohl Zufluchtsorte wie Frauenhäuser in Berlin ständig überbelegt sind, will die Senatsverwaltung für Frauen diese Angebote nicht ausbauen

■ Am heutigen Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen ruft das Berliner Frauennetzwerk zusammen mit den Frauenhäusern von 10 bis 12 Uhr zu einer Aktion vor der Senatsfrauenverwaltung, Oranienstraße 106, auf. Sie fordern eine bedarfsgerechte und verlässliche Finanzierung der Schutzeinrichtungen. (sug)

Neun Todesopfer forderte die häusliche Gewalt 2012 in Berlin: drei durch Morde und sechs durch vollendete Totschlagtaten. Dazu kommen acht versuchte Totschlage. Insgesamt hat die polizeiliche Kriminalstatistik 15.797 Fälle von häuslicher Gewalt in 2012 registriert. Die Dunkelziffer dürfte allerdings deutlich höher liegen: Denn anlässlich des heutigen Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen weist das Berliner Frauennetz darauf hin, dass weiterhin die Mehrheit der von körperlicher oder sexualisierter Gewalt Betroffenen, zum überwiegenden Teil Frauen und deren Kinder, nie mit jemandem darüber spricht: „Aus Scham oder aus Schuldgefühl – oder aus Unkenntnis der Hilfsangebote.“

Dabei gibt es in Berlin eine Fülle davon: Frauen in Not können sich in fünf Beratungsstellen über mögliche Auswege informieren oder eine Rund-um-die-Uhr-Hotline anrufen, die als letzten Ausweg auch einen Platz in einem der sechs Frauenhäuser mit 317 Plätzen vermitteln oder in eine der 40 Zufluchtswohnungen (117 Plätze für Frauen und zusätzliche Plätze für deren Kinder). Auch gibt es laut Senatsfrauenverwaltung seit März zusätzlich eine Anlaufstelle für nachts, an Wochenenden und Feiertagen, bei der Frauen sofort für ein bis drei Nächte eine Übernachtungsmöglichkeit bekommen. Oft gehen Betroffene auch direkt zu den Frauenhäusern oder zu Initiativen, die Zufluchtswohnungen anbieten. Diese müssen allerdings immer wieder Frauen wegschicken: Denn seit zwei Jahren sind die Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen quasi ausgebucht. Laut Frauennetzwerk kommt es „regelmäßig zu Engpässen bei der Vermittlung in sichere Unterkünfte“.

Das beobachtet auch Sabine Wagenfeld, Beraterin bei der Fluchtwohnungsinitiative Zuff e. V. „Vorige Woche mussten wir sechs Frauen abweisen“, erzählt sie. Sie versuchten dann, andere Einrichtungen oder auch Notunterkünfte für die Betroffenen zu finden, „aber immer wieder müssen wir Betroffene ins Berliner Umland schicken“. Das Gleiche berichtet Stefan Beckmann, Mitarbeiter der BIG-Koordinierungsstelle (Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen), die auch die Hotline betreut. Frauennetzwerk und die Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser fordern deshalb vom Senat einen Ausbau des Angebots.

Kein Ausbau

Das lehnt die zuständige Senatsfrauenverwaltung allerdings ab. „Berlin ist im Bundesländervergleich sehr gut aufgestellt“, sagt Sprecher Matthias Gille. Außerdem gingen die Belegungszahlen in den Schutzeinrichtungen leicht zurück: von 2.363 Frauen und Kindern (2011) in den Frauenhäusern auf 2.008 (2012). Er sehe daher keinen Bedarf für neue Unterkünfte. Allerdings gibt er zu, dass die Auslastung der Einrichtungen gestiegen ist – weil die Frauen „wegen des angespannten Wohnungsmarkts“ länger bleiben. So blieben voriges Jahr knapp 20 Prozent der Frauen länger als 3 Monate, im Vorjahr waren es noch rund 15 Prozent. SUG