Jede Zweite wird gezwungen

SOZIALES SPD-Innensenator Ulrich Mäurer widerspricht Berichten, fast alle Prostituierten seien selbstbestimmt. Beratungsstelle finanziell abgesichert

Die „Quälnummer“ der Beratungsstelle finde nun ihr Ende, sagt der Innensenator

Nach zehn Jahren wird die Betreuungsstelle für Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution (BBMEZ) jetzt langfristig abgesichert. „Es ist erkennbar, dass die Quälnummer ihr Ende gefunden hat“, sagte gestern Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) am Internationalen Tag der Gewalt gegen Frauen. Die laufenden rot-grünen Haushaltsberatungen hätten ergeben, dass die bei der Inneren Mission angesiedelte Einrichtung mit jährlich 70.000 Euro finanziert werden soll.

Damit sei es erstmals möglich, zwei Mitarbeiterinnen mit unbefristeten Verträgen zu beschäftigen, sagt Petra Wulf-Lengner von der Inneren Mission. „Außerdem können wir jetzt endlich aufsuchende Arbeit machen.“ Dazu würde eine Streetworkerin Frauen in sogenannten Modellwohnungen besuchen. Von diesen gibt es laut Mäurer rund 220 in Bremen, in 90 Häusern. In der Helenenstraße gebe es weitere 27 Häuser, hinzu kämen 30 Barbetriebe.

Für Mäurer ist Zwangsprostitution keine randständige Nebenerscheinung im Sexarbeits-Gewerbe, wie es LobbyistInnen für die Rechte von Sexarbeiterinnen darstellen. Er hält die Hälfte der Prostituierten in Bremen für betroffen. „Ein Zwang besteht für mich immer dann, wenn die Frauen aus fremden Regionen kommen, kein Deutsch sprechen und gezwungen sind, sich hier zu verkaufen.“ Die Polizei schätze, dass sich in Bremen 600 Frauen prostituieren müssen, darunter hätte nur ein Viertel die deutsche Staatsangehörigkeit. Rund 300 Frauen kämen aus Bulgarien und Rumänien.

Einem Teil der Migrantinnen würde vorgetäuscht, sie würden in anderen Dienstleistungsberufen arbeiten, sagte Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe. „Die anderen wissen zwar, dass sie als Prostituierte arbeiten werden, aber nicht unter welchen Bedingungen.“ Ihnen sei nicht bewusst, dass ihnen ihre Pässe abgenommen würden, dass sie ihr Geld abgeben müssen, dass sie nicht bestimmen dürfen, wann und wie sie arbeiten, dass sie Freier auch ohne Kondom bedienen müssen und niemand ablehnen dürfen, so Hauffe. „Da kann von selbstbestimmter Arbeit keine Rede sein“, sagte Katharina Kähler von der BBMEZ.

Mäurer wiederholte gestern seine Forderung nach Gesetzen, die eine Kontrolle des Prostitutionsgewerbes ermöglichen: „Sie können in Deutschland ein Bordell eröffnen, nachdem sie gerade zehn Jahre im Gefängnis gesessen haben – da fragt niemand nach Ihrer Eignung.“ Auch für Polizeikontrollen müsse immer erst ein konkreter Verdacht vorliegen. Von der neuen Bundesregierung erhofft er sich ein Gesetz, dass Menschenhandels-Opfer besser schützt. Zudem brauche es Aufenthaltsrechte für Frauen, die in Deutschland gegen Täter aussagen. „Die Täter oder deren Vertraute warten dann in den Heimatländern auf die Frauen“, sagt Wulf-Lengner.

Drei Viertel der jährlich 30 bis 40 Frauen kommen laut Kähler über die Polizei zur BBMEZ. Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels habe es in diesem Jahr 30 gegeben, so Mäurer.  EIB