Freiburg will seine Roma halten

Kommune, Kirchen und Initiativen kämpfen für ein Bleiberecht für eine lange geduldete Roma-Familie, die nach Serbien abgeschoben werden soll. Der Vater hat schon Kirchenasyl gefunden. Hoffnung auf Gnade der Länder-Innenminister

VON ULRIKE SCHNELLBACH

Für den vierjährigen Alen Denaj ist Serbien ziemlich klein: ein Kellerraum mit Sofa und TV, nebenan Küche, Dusche und Toilette – gegenwärtig das Zuhause seines Vaters. Auf die Frage „Wo ist denn dein Papa?“ antwortete der Junge unlängst: „In Serbien. Wir gehen ihn jetzt besuchen.“

Alen und seine Familie – Vater, Mutter und vier Schwestern – sollten zu Ostern nach Serbien abgeschoben werden, nach zehn Jahren, die die Roma-Familie in Freiburg gelebt hat. Das stößt in der Stadt auf großes Unverständnis. Und so nahm die evangelische Friedensgemeinde den Vater, Fatmir Denaj (30), ins Kirchenasyl. Für die kriegstraumatisierte Mutter und den Sohn hatte der Anwalt noch einen Asylantrag gestellt – abgelehnt. Möglicherweise muss Alen also bald zum Papa ins Kirchenasyl-„Serbien“ übersiedeln.

Pfarrerin Ute Niethammer misst „riesengroße Unterstützung“ für das Kirchenasyl. Die Familie Denaj ist integriert: Vier der fünf Kinder sind in Deutschland geboren. Der Vater hat gearbeitet, so viel es sein Flüchtlingsstatus erlaubte. „Wir haben nur ganz wenig Sozialhilfe gebraucht“, sagt der junge Mann. Er engagierte sich im Flüchtlingswohnheim und für den Migrationsbeirat der Stadt, ging regelmäßig zu den Elternabenden in der Schule seiner Töchter. „Ein vorbildlicher Vater“, lobt die Schulleiterin Gerda Liebner.

Die rührige Rektorin hat einen Brief an Bundespräsident Horst Köhler geschrieben, den der Freiburger Bundestagsabgeordnete Gernot Erler (SPD) überreichen will. 1.500 Freiburger haben schon einen Protestbrief an Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) unterzeichnet. Die Mitschüler der Mädchen schickten 200 Briefe nach Stuttgart. Sie alle sind überzeugt, dass die Denajs, die 1996 vor Verfolgung und Krieg aus Serbien flohen, dort keine sichere Zukunft haben.

Doch bisher war alles vergeblich. Das Regierungspräsidium verweist darauf, dass der Rechtsweg ausgeschöpft ist. Petitionsausschuss und Härtefallkommission des Landes haben den Fall abschlägig beschieden.

600 Roma leben seit langem in Freiburg. Die meisten kommen aus dem Kosovo, wohin sie nicht zurückgeschickt werden können – noch. Vergangenen November hatte die Landesregierung schon einmal eine Gruppe Roma und Ashkali ins Kosovo abgeschoben, ohne die UN-Verwaltung zu informieren. Sie schickte die Menschen postwendend zurück. Ein „Freiburger Appell für Integration“, den auch Günter Grass unterschrieb, verweist auf die humanitäre Verpflichtung Deutschlands gegenüber der am stärksten diskriminierten Minderheit in Europa. Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) fragt nach dem „Sinn“ der Abschiebungen: In zehn oder 15 Jahren werde das Kosovo möglicherweise Mitglied der EU sein – mit offenen Grenzen. Der Gemeinderat verabschiedete einstimmig eine Resolution, die Abschiebeschutz für die Roma fordert sowie eine humane Altfallregelung für lange geduldete Flüchtlinge. Nur die beiden CDU-Stadträte, die auch im Landtag sitzen, enthielten sich der Stimme.

Die Resolution knüpft an ein Beispiel aus dem Jahr 2000 an. Damals verlängerten Singen, Konstanz und Esslingen eigenmächtig die Duldungen von bosnischen Arbeitskräften, wenig später rangen sich auch die Länder-Innenminister zu einem Bleiberecht für diese Gruppe durch. Ob aber die Familie Denaj von einem erhofften Beschluss bei der nächsten Innenministerkonferenz im November überhaupt profitieren könnte, ist fraglich. Gut möglich, dass Alens Vater bis dahin sein kleines „Serbien“ in der Friedensgemeinde gegen das unfriedliche echte Serbien eintauschen muss.