portrait
: Der versöhnliche Held des Widerstands

Kaum ein Bewohner des erneut von Unruhen erschütterten Osttimor verkörpert das Leiden des kleinen, bitterarmen Landes so sehr wie sein Präsident Xanana Gusmão. Geboren 1946, musste er als 16-Jähriger seine Ausbildung abbrechen. Wie viele seiner Freunde in der damaligen Kolonie Portugals lebte er in Armut. Nach Gelegenheitjobs in der Hauptstadt Dili trat er eine Stelle im öffentlichen Dienst an, die ihm erlaubte, sich fortzubilden. Doch zwei Jahre später wurde er von den Kolonialisten zum Militär einberufen. Trotz seiner ruhigen und friedfertigen Art schaffte er es bis zum Korporal.

1971 veränderte sich Gusmãos Leben grundlegend. Er trat einer nationalistischen Gruppe bei, geführt von José Ramos Horta, heute Außenminister und Friedensnobelpreisträger. Es folgten drei Jahre friedlicher Proteste gegen die Kolonialherren. Mit der Nelkenrevolution 1974 in Portugal begann auch die Phase der Entkolonialisierung. Rivalisierende Fraktionen kämpften um die künftige Macht in Osttimor, Gusmão auf der Seite der sozialistischen Fretilin. Doch die der Elite verbundene UDT war stärker und warf ihn ins Gefängnis. Ende 1975 errang Fretilin die Kontrolle, erklärte die Unabhängigkeit Osttimors, Gusmão kam frei. Neun Tage später besetzte Indonesien Osttimor. Seiner Vorsicht verdankte es Gusmão, dass er nicht unter den Ersten der 200.000 Menschen war, die den Besatzern im Laufe der folgenden 24 Jahren zum Opfer fielen: Er blieb in den Bergen. Es folgten Jahre blutiger Kämpfe. Dabei tat sich Gusmão als mediengewiefter Repräsentant der Guerilla hervor. Nach einem indonesischen Massaker mit 271 Toten im November 1991 wurde er als Sprecher des Widerstands weltweit bekannt. Das katapultierte ihn an die Spitze der Fahndungsliste Jakartas. 1992 wurde er verhaftet und später zu lebenslanger Haft verurteilt.

Als sich Osttimor am 30. August 1999 für die Unabhängigkeit aussprach, überzogen die abziehenden indonesischen Soldaten das Land mit einer Welle der Gewalt. Doch Gusmão wurde aus der Haft entlassen. Nach seiner Rückkehr als „Held des Widerstands“ begann er eine Kampagne der Vereinigung und Versöhnung. Auch nach seiner Wahl zum Präsidenten 2001 bestach er durch seine versöhnliche Politik. Zu versöhnlich vielleicht. So wurde ihm vorgeworfen, sich zu wenig für die Bestrafung der Mörder von 1999 eingesetzt zu haben. Vielleicht ist es seine an Naivität grenzende Friedfertigkeit, die mit dazu beitrug, dass sich in den letzten Jahren unter seinen Augen ein neuer Konflikt anbahnte. Dennoch: Diese Friedfertigkeit ist es auch, mit der Gusmão seine Mitbürger wieder vereinen kann.

URS WÄLTERLIN