VOLKSENTSCHEID ÜBER DIE homo-EHE IN KROATIEN
: Schwuchteln nach Europa

Aus Split

ERICH RATHFELDER

Die 35-jährige Jasna lächelt. Sie freut sich. Ihre Arbeit in den vergangenen Wochen war nicht umsonst. „Ich habe Unterschriften für die Petition gesammelt. Eine Ehe besteht aus Mann und Frau. Basta.“ 740.000 Unterschriften hat die Initiative „Im Namen der Familie“ gesammelt und dadurch ein Referendum erzwungen, das nun am 1. Dezember durchgeführt werden muss. In der ersten Volksabstimmung des Landes an diesem Sonntag soll darüber entschieden werden, ob die Ehe zwischen Mann und Frau als allein gültige Ehe in der Verfassung festgeschrieben wird.

Vor der pittoresken Kulisse des Fischmarkts in Split heimst Jasna, dreifache Mutter, bei den Umstehenden Beifall ein. Nur ein junger Mann wagt es, zu widersprechen. „Hallo, wir sind jetzt in der EU. Da gibt es Gesetze, auch Kroatien muss die akzeptieren.“ „Wenn das Europa ist, dann wollen wir Europa nicht“, ruft ein älterer Mann dazwischen. Und eine Hausfrau keift: „Die Schwuchteln können doch nach Europa gehen, warum bleibst du denn hier?“

Der junge Mann wird als Schwuler bezeichnet. Die Lage wird bedrohlich. Aus der Menge heraus wird er geschubst. „Was wollt ihr von meinem Mann“, ruft eine junge Frau, die versucht hatte, Fische einzukaufen. Die Gemüter beruhigen sich, weil jetzt klar zu sein scheint, dass er Hetero ist.

Jetzt mischt sich Pero ein. Der 68-Jährige war über dreißig Jahre lang Gastarbeiter in Deutschland. Im Sommer lebt er im Haus seiner Familie in Split, im Winter normalerweise in Deutschland. Er lächelt Jasna zu. „Ich verstehe dich ja, wir in Kroatien hören gerne, was die Kirche sagt.“ Zu dem Ausländer gewandt, versucht er zu vermitteln: „Hier denken die Leute noch anders, das musst du verstehen.“ Und als die Umstehenden es nicht hören können, fügt er leise hinzu: „In Deutschland ist das kein Thema mehr. Aber hier ist Kroatien.“ „Aber“, entgegnet der Ausländer, „ihr seid jetzt doch in der EU, und es gibt Gesetze, es gibt Menschenrechte, die gelten für alle Minderheiten.“ „Aber die Leute hier verstehen das noch nicht“, erwidert der Exgastarbeiter. „Du bist doch wie alle Kroaten bloß feige und wagst nicht zu widersprechen“, mischt sich eine junge Frau mit grünen Haaren ein. Sie lässt sich von den Umstehenden nicht einschüchtern. „Wir leben nicht mehr in der Diktatur, sondern in Freiheit.“ „Scheiß auf deine Freiheit und diese linke Regierung“, schimpft der eine. „Milanovic und seine Minister sind doch selbst schwul“, schreit ein anderer. „Die EU unterdrückt die Kroaten und ist für die Serben. In Vukovar sollen alle Straßenschilder auf Kyrillisch sein. Haben wir unser Land umsonst verteidigt?“ „Die Regierung setzt doch nur das Gesetz um“, sagt Pero jetzt. „Und wenn eine Minderheit 30 Prozent der Bevölkerung ausmacht, dann muss man auch ihre Schrift akzeptieren.“ Die Menge wendet sich gegen ihn. „Du warst doch im Ausland, als wir hier gekämpft haben. Du hast hier gar nichts zu sagen.“ Pero geht weg. Und die Frau mit den grünen Haaren auch.

Im Café nebenan sitzt Boris. Belustigt hat der Journalist die Szene beobachtet. „Was du hier gesehen hast, ist das wahre Kroatien. Alles andere ist Schminke. Die linke Regierung ist isoliert. Kroatien geht nach rechts.“ Er holt sein Handy heraus. Im Internet gibt es einen Aufruf von sechs Ministern, beim Referendum mit Nein zu stimmen. „Ich möchte wissen, was passiert, wenn die in ihren Wahlkreis kommen“, schmunzelt Boris. „Immerhin haben wir was zu schreiben.“