Wiener Schnitzel, auch wenn der Muezzin ruft

Weil Österreichs Muslime angeblich integrationsunwillig sind, sollen schon Vorschüler Schweinefleisch essen müssen

WIEN taz ■ Noch weiß keiner genau, wann die diesjährigen Wahlen zum österreichischen Nationalrat stattfinden, doch eines scheint jetzt schon sicher: Es wird ein Ausländerwahlkampf. Denn die regierende konservative ÖVP von Ministerpräsident Wolfgang Schüssel will das xenophobe Wählerpotenzial nicht rechts liegen lassen. Den Startschuss für die Kampagne gab ausgerechnet die als eher liberal geltende Innenministerin Liese Prokop, die vor zwei Wochen in einem Interview erklärte, 45 Pozent der in Österreich lebenden Muslime seien nicht integrationswillig.

Prokop berief sich auf eine Studie, die ihr Ministerium in Auftrag gegeben hatte und die bei einem Teil der Befragten eine „Distanz zur Mehrheitsgesellschaft“ ausmachte. Ob diese Distanz gewollt ist, steht genauso wenig in dem Bericht wie die Dauer des Aufenthalts derer, um die es geht. Prokop zog jedoch auch so ihre Schlüsse: „Wer sich nicht integrieren will, hat hier nichts zu suchen.“ Das klang wie ein Echo auf die Forderung nach „Minuszuwanderung“, dem von der rechtsnationalistischen FPÖ erfundenen Euphemismus für „Ausländer raus!“.

Die komplette Studie, die der Islamwissenschaftler Mathias Rohe von der Uni Erlangen koordiniert hat, ist noch unter Verschluss. Der Öffentlichkeit wurde nur eine Kurzfassung präsentiert, die in Fachkreisen auf herbe Kritik gestoßen ist. So wirft ihr die Grazer Gesellschaft für Soziologie „gröbste methodologische und technische Mängel“ vor. Im Übrigen sei es unwissenschaftlich, Religion zum Kriterium für Integration zu machen. Prokops Sprecher Johannes Rauch ließ demgegenüber ausrichten: „Neid ist die ehrlichste Form der Anerkennung.“

Bestürzt reagierten auf die Debatte jene, die sich in jahrelanger Kleinarbeit um Integration in Österreich bemüht haben. Anas Schakfeh, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, räumte ein, dass es eine Gruppe gebe, die aus religiösen Gründen die Integration ablehne. Doch sei die erheblich kleiner als 45 Prozent. Tatsächlich kommen andere Studien zu ganz anderen Ergebnissen. So stuft die Soziologin Hilde Weiss von der Uni Wien 80 Prozent der Zuwanderer in der zweiten Generation als durchaus integrationsbereit ein. Viele Zuwandererkinder schaffen aber den sozialen Aufstieg nicht und stoßen bei der Jobsuche auf Vorurteile. Darin sind sich alle Studien einig. Die Mehrheitsgesellschaft müsse einen aktiveren Beitrag zur Integration leisten, heißt es weiter. Gerade in den Schulen wurden aber unter ÖVP-Regie in den letzten Jahren zweisprachige Lehrkräfte und Stützlehrer eingespart. Grüne und SPÖ fordern daher die Aufstockung des Bildungsbudgets und das Abgehen vom selektiven Schulsystem, das sprachlich benachteiligte Schüler sehr früh in Haupt- und Sonderschulen abschiebt.

Für die FPÖ ist die Debatte jedenfalls Wasser auf ihre Mühlen. Letzte Woche trat sie im Wiener Stadtrat eine Debatte über das Essen in Kindergärten los, weil in Einrichtungen mit starkem türkischem Anteil Schweinefleisch vom Menüplan abgesetzt wurde. Die FPÖ findet es empörend, dass man sich da dem Diktat einer Minderheit beuge, und verlangt allen Ernstes, dass das Schweineschnitzel als österreichisches Kulturgut auf den Speiseplänen der Vorschüler fest verankert wird. RALF LEONHARD