Nur formal das Gleiche

FRAUEN Aktivistinnen aus der Frauenbewegung diskutierten auf Einladung der Gruppe Belladonna über Vergangenheit und Zukunft des Feminismus

„Ich finde es unerträglich, wenn Frauen sich schämen, das F-Wort zu benutzen“

Sookee, Rapperin

Im Bürgerhaus Weserterrassen ist es brechend voll am Donnerstagabend: Über 100 Besucherinnen sind auf Einladung des Frauenzentrums Belladonna gekommen, um mit Aktivistinnen aus mehreren Generationen Frauenbewegung zu diskutieren. Der Altersunterschied im Saal entspricht dem auf der Bühne: Die 24-jährige Jasna Strick ist die jüngste. Sie ist Initiatorin des Twitter-„Aufschreis“ während der bundesweiten Sexismus-Debatte Anfang des Jahres. Dörthe Jung, die schon seit den 70er-Jahren Frauenpolitik gemacht hat, ist mit 64 Jahren die älteste.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht die Frage nach der Kontinuität der immergleichen Konflikte. Jung hat schon damals über Quoten und die Aufwertung von Frauenarbeit gestritten und ist es leid: „Wenn ich sehe, dass junge Frauen immer noch über die gleichen Fragen reden, empfinde ich tiefe Langeweile und riesige Wut.“ Sonja Eismann, Chefredakteurin des Missy-Magazins, sieht das Problem in der formalen Gleichheit, die heute zwischen den Geschlechtern herrsche: „Wenn jetzt mehr Frauen arbeiten, dann nicht aus Gründen der Gleichberechtigung, sondern damit auch sie auf dem Markt ausgebeutet werden können.“ Gleichzeitig würden in Medien und Werbung reaktionäre Frauenbilder reproduziert.

Auch die Berliner Rapperin Sookee fordert, die Frauenfrage nicht losgelöst vom Kapitalismus zu diskutieren und bekommt dafür Applaus aus dem Publikum. Von den historischen Errungenschaften der Frauenbewegung sei sie beeindruckt, sie wisse aber tatsächlich weniger darüber, als ihr lieb sei: „Für uns ist heute natürlich vieles einfacher, aber ich finde es trotzdem unerträglich, wenn Frauen sich schämen, das F-Wort zu benutzen.“ Feminismus sei aktuell nicht besonders angesagt – in ihrem Metier Hip-Hop schon gar nicht.

Trotz der ähnlichen Inhalte ist die Form der politischen Arbeit heute eine andere. Für die Aufschrei-Initiatorin Strick findet Politaktivismus vor allem im Internet statt. Dort würden politisch Interessierte zusammenkommen, die nicht in Großstädten leben und auf dem Land keine anderen Foren hätten, sich politisch zu engagieren. Viele würden hier enge Kontakte knüpfen.

Auch im Saal wird eifrig auf Handys herumgetippt. „Die twittern“, sagt eine Besucherin. „So haben auch Leute etwas von der Veranstaltung, die physisch nicht anwesend sein können.“ Dass die Zukunft des Feminismus im Internet liegen soll, bestreiten einige Frauen aus dem Publikum.  JAN-PAUL KOOPMANN