Amtlicher Kindsraub

RULE BRITANNIA In England wird eine Italienerin narkotisiert und ihr Kind gegen ihren Willen entbunden. Jetzt kämpft sie um das Sorgerecht

Eine schwangere Italienerin wurde in Südengland betäubt, ihr Baby wurde per Kaiserschnitt aus der Gebärmutter entfernt, sie hat es nie zu Gesicht bekommen. Die Tat skrupelloser Kinderhändler? Nein, es waren die englischen Sozialbehörden. Doch der Reihe nach.

Die Italienerin, so berichtet der Daily Telegraph, war im Sommer 2012 nach England gekommen, um an einem zweiwöchigen Ausbildungskurs der Fluglinie Ryanair teilzunehmen. Ihre beiden Töchter ließ sie bei ihrer Mutter in Rom. Die Frau litt an einer bipolaren Störung, bekam im Hotel eine Panikattacke und rief die Polizei.

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Als die eintraf, telefonierte die Italienerin gerade mit ihrer Mutter. Die erklärte den Beamten, dass ihre Tochter wohl nur vergessen habe, ihre Tabletten zu nehmen. Die Polizisten brachten die Schwangere daraufhin gegen ihren Willen in eine psychiatrische Klinik. Fünf Wochen später wurde sie eines Morgens ans Bett gefesselt und narkotisiert. Als sie aufwachte, befand sie sich in einem anderen Krankenhaus, ihre neu geborene Tochter war weg. Man erklärte ihr, alles sei rechtens: Richter Mostyn vom High Court habe der Sozialbehörde von Essex grünes Licht für die Aktion gegeben. Ein weiterer Richter schickte sie im Oktober ohne Baby zurück nach Italien.

Richter ist machtlos

Dort begann sie ihren juristischen Kampf. Ein Richter in Rom drückte zwar Empörung aus, erklärte sich aber für machtlos. Bei einer weiteren Anhörung in England im Februar sagte der Richter, die Italienerin mache zwar einen kompetenten Eindruck, aber man könne nie wissen: Vielleicht vergesse sie ja wieder, ihre Tabletten zu nehmen. Der Ex-Ehemann der Frau, Vater ihrer ältesten Tochter, bot an, dass seine Schwester in Los Angeles das Baby großziehen könne. Obwohl ein US-Gericht der Frau ein tadelloses Führungszeugnis ausstellte, lehnte das britische Gericht ab: Die US-Amerikanerin sei lediglich die Tante der Stiefschwester des Babys, also nicht blutsverwandt.

Da der Adoptionsprozess in Großbritannien noch nicht abgeschlossen ist, besteht die kleine Chance, dass die Italienerin ihr Kind mit Hilfe des Anwalts Brendan Fleming, der auf solche Fälle spezialisiert ist, doch noch zurückbekommt. RALF SOTSCHECK