schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Hin und wieder ertappe ich mich dabei, durch Außenbereiche von Baumärkten zu schlendern und mit interessiertem, fast gerührtem Blick die Ansammlungen von Baumaterialien für Garten und Terrasse zu betrachten. Funktionale Baustoffe von banaler Hässlichkeit, aber mit so schönen Bezeichnungen wie Senk-, Bord- und Rasengitterstein; Winkelstützecke, Pflanzring und Formkante; Dosfix, Beetfix, Mähfix bis zur Minipalisade. Eine ästhetische Verschandelung für jeden Heimgarten, wenn sie die Rasenkante versiegeln, mit Primeln bepflanzt die Veranda markieren oder das Schrittmaß zwischen den Rabatten festlegen. Doch befreit man die Objekte ihres schnöden Form-Follows-Function-Gedankens, entfalten sie ihre moderne Qualität als präfabrizierte Skulpturen. Die Künstlerin Andrea Pichl hat das erkannt und in der Galerie Krome einen poetischen Parcours ausgelegt, der die Baumarktprodukte aus spießiger Laubenpieperseligkeit in einen architektonischen Zusammenhang rückt. Der Alexanderplatz – auch ein Hort materieller Geschmacksunsicherheit – hat sie zur Ausstellung „delirious Dinge“ inspiriert. Aus Tiefbordsteinen legt sie eine geschwungene Einfassung und möbliert sie mit Dekorationskugeln aus Granit und zwei die „Endlose Säule“ von Constantin Brancusi zitierenden Stelen, für die sie offenbar Pflanzgefäße mit Gips ausgegossen hat. Ein Pfeil aus Begrenzungssteinen und Betonpalisaden weist den Weg auf eine Installation aus Terrassenplanken, Pseudoholzbohlen und dem postmodernen Ornament von Verkehrsflächengitterwerk. (Bis 18. Januar, Di.–Sa. 12–18 Uhr, Potsdamer Str. 98)

Gleichfalls konkrete Poesie, allerdings auf Papier, zeigt die Galerie Bastian. 180 Zeichnungen, Aquarelle und Collagen von Joseph Beuys umfasst die Sammlung von Heiner Bastian, dem ehemaligen Sekretär des Künstlers, die sich als Dauerleihgabe im Berliner Kupferstichkabinett befindet. Beuys’ Arbeiten bestechen durch seine Zeichenkunst und die Kombination vorgefundener Dinge: Briefumschläge, Buchseiten, illustrierte Karten und getrocknetes Pflanzenmaterial. Seine meisterhafte Kompositionsgabe offenbart er im Arrangement verknitterten Packpapiers mit Kartonetiketten, in Bleistiftspuren auf Kalenderblättern oder dem malerischen Verkleckern von Wasserfarbe auf einer Papierserviette. Begleitet wird die Schau von einem herausragend fotografierten Faksimile-Katalog, der die Werke bis ins kleinste Detail ihrer Oberflächen, Knickkanten und Perforierungen plastisch reproduziert. (Bis 8. Februar, Do.–Fr. 11–17.30 Uhr, Sa. 11–16 Uhr, Am Kupfergraben 10; Katalog erschienen im Kerber Verlag)