Der Sex macht viel Ärger

Mythen, Alltag, Gewalt: Mit der Ausstellung „Sexhandel“ widmet sich das Frauenmuseum in Bonn einem heiklen Thema, das üblicherweise eher die Soziologie als die Kunstpraxis beschäftigt

„Wenn die Bonner Frauen anschaffen wollen, sagen sie, dass sie auf die Meile gehen. Sie meinen ganz sicher nicht die Museumsmeile“ (Museumsdirektorin Marianne Pitzen)

VON KATJA BEHRENS

„Die Metaphysik der männlichen Sexualherrschaft sieht in allen Frauen Huren. (...) Eine Sache kann nicht missbraucht werden, wenn sie so benützt wird, wie es ihrem Wesen entspricht: Weder Vergewaltigung noch Prostitution missbrauchen die Frau, weil die Frau bei beiden ihrer natürlichen Bestimmung nachkommt.“ Die Worte, die die amerikanische Feministin Andrea Dworkin 1979 im Blick auf die symbolische Ordnung der Geschlechter, ihrer sozialen wie psychischen Dynamik findet, sind radikal und historisch tief in der Geschichte der Frauenbewegung verwurzelt. Und doch sind sie auch heute noch sagbar. Das Thema Zwangsprostitution, das im Bonner Fraumuseum ästhetisch verhandelt wird, ist politisch immer noch virulent – offenbar auch für die 40 Künstlerinnen. Deshalb gab es dafür auch keine Fördermittel. „Stadt, Land, Bund, NRW-Kulturstiftung und auch die bekannten Sponsoren haben alle Anträge abgelehnt“, sagt Museumsdirektorin Marianne Pitzen. Das sei auch in Hamburg so gewesen. Die Ausstellung „Sexhandel“, ist in Kooperation mit dem Hamburger Museum der Arbeit entstanden, wurde dort bereits gezeigt.

Leider bleibt sie streckenweise hinter dem hohen Anspruch zurück, sich diesem – anlässlich der nahen Fußball-WM mal wieder aktuellen – Thema zu nähern. Die Kunst, die im Frauenmuseum gezeigt wird, ist nur in wenigen Fällen wirklich radikal. Selbst die als rosa Kindfrau-Hure verkleidete Künstlerin in ihrem nachgebauten Domina-Studio wirkt vor allem frisch geduscht. Es mag in der Natur der Sache liegen, dass das tief empfundene weibliche Mitleiden es erschwert, aus kritischer Distanz zu urteilen und ästhetisch zu intervenieren. So scheint es nicht verwunderlich, dass es den meisten Arbeiten nur schwer gelingt, die eigene weiblich-moralische Empörung in ästhetisch oder konzeptuell stringent argumentierende Kunst zu überführen. Offensichtlich bestehen die Schwierigkeit für viele Künstlerinnen gerade darin, einerseits dem Bild der sensiblen Schwester entsprechen zu müssen und gleichzeitig als Künstlerin ernst genommen zu werden.

Die Reportagefotos, die Eva Horstick-Schmitt bei ihrem Aufenthalt 2002 im Kosovo gelangen, geben in all ihrer Ausschnitthaftigkeit ein beredtes Bild davon, was als Alltag von Prostituierten und den mit ihnen in Berührung kommenden Menschen, der Zuhälter, Freier, PolizeibeamtInnen gelten kann. Maria Giménez‘ großformatige gezeichnete Bilder im Stil von Märchenillustrationen Tomi Ungerers hingegen karikieren auf vergnügliche Weise das Verhältnis zwischen den Geschlechtern als sadistisches Spiel. Eine der vielleicht stärksten Arbeiten befasst sich mit einem grausamen Aspekt des Umgangs mit Weiblichkeit und weiblicher Lust, bzw. mit deren Vermeidung. Es ist die Installation „Red Violation“ von Monika Ortmann, die die weltweit praktizierte Genitalverstümmelung zum Thema macht: Auseinander geschnittene und grob wieder und wieder zusammengenähte Stoffe, verletzte und notdürftig geflickte Oberflächen, geschlitzt, übereinandergelagert und schmerzhaft offen.

Dabei handelt es sich keinesfalls um eine in positiven Sinne aufklärerische Ausstellung, wenn auch einige Künstlerinnen sich mit ihren Arbeiten auf historische Deutungen berufen. Die Aufgabe der Institution Frauenmuseum ist es, Künstlerinnen ein Forum für experimentelle Kunst zu bieten, die sich unabhängig vom männlich dominierten Kunst- und Ausstellungsbetrieb und vom männlich geprägten Diskurs artikulieren kann. Das indes sollte nicht bedeuten, sich immer wieder auf die ewig weitergetragenen Klischees des „natürlich“ weiblichen Tiefgangs zu berufen. Das Thema Sexarbeit, und das ist zu beklagen, scheint auch hier oft nur ein Vorwand für die permanente Feier der Weiblichkeit zu spielen. So bleibt die Ausstellung im Hinblick auf die Erhellung des politischen Bewusstseins und weiblichen Selbstbildes streckenweise ähnlich oberflächlich wie die TV-Serie „Sex and the City“.

Bis 03.September 2006Infos: 0228-691344