Das letzte Bollwerk

Eine Obstwiese soll die Braunkohlebagger stoppen. Heute wird über die Zwangsenteignung des Besitzers verhandelt

Sie ist die letzte Bastion vor den anrückenden Baggern der RWE Power AG: eine Obstwiese am Ortsrand des inzwischen weitgehend zerstörten Dorfes Otzenrath an der A 44 zwischen Mönchengladbach und Aachen. 1997 hat der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) das einen Hektar große Feld gekauft und mit heimischen Apfel-, Zwetschgen- und Kirschbäumen bepflanzt. Wohl ahnend, dass diese Wiese einmal die Planungen des Energiegiganten für Garzweiler II durchkreuzen könnte.

Die Rechnung ist aufgegangen. Sobald der Kohlevorrat von Garzweiler I ausgeschöpft ist, will RWE das restliche Gebiet bis zur Autobahn abbaggern, auch die 10.000 Quadratmeter unter den Obstbäumen des BUND. Im Juli 2005 haben die Umweltschützer gegen die von der Bezirksregierung Arnsberg verfügte Zwangsenteignung Klage eingereicht. Diese wird heute vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf verhandelt.

Schon heute gelangen die Eigentümer nur noch auf Umwegen zu ihrer Wiese, auf der inzwischen 90 Obstbäume Früchte tragen. Alles Land drumherum gehört RWE, Schilder mit der Aufschrift „Betreten verboten“ zieren das Land um Otzenrath. Der RWE-Werkschutz patrouilliert, um Plünderungen in den restlichen Häusern zu verhindern. „RWE tut schon ganz so, als gehöre ihr die Wiese“, sagt Dirk Jansen. „Die Leute vom Werkschutz sind auch schon zu uns gekommen und haben gefragt, was wir denn da zu suchen hätten“, so der Geschäftsleiter des BUND-Landesverbandes.

Die meisten Einwohner des 800 Jahre alten Otzenrath, das auf der anderen Seite der Autobahn liegt, haben sich dem Druck des Energieriesen gebeugt und sind bereits in das wenige Kilometer entfernte, am Reißbrett entworfene Dorf Spenrath gezogen. Nur die Eigner der Obstwiese sind widerspenstig. Nach Meinung des BUND gibt es kein zwingendes öffentliches Interesse mehr am Braunkohleabbau. „Um die Wiese zugesprochen zu bekommen, muss RWE die energiepolitische Notwendigkeit von Garzweiler II vor Gericht belegen“, sagt Dirk Jansen. Er rechnet für heute mit einem Urteil. Sollte der BUND seine Wiese verlieren, werde man „den Instanzenweg voll ausschöpfen“, so Jansen. Fest entschlossen, ihre Obstbäume mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu verteidigen, veranstalten die Umweltschützer vor der heutigen Verhandlung am Düsseldorfer Verwaltungsgericht ebendort um 12.30 Uhr eine Mahnwache zur Rettung der Wiese. HENK RAIJER