Vorbild für Deutschland

Anders Borg braucht keine Überstunden zu machen. Anders als viele seiner EU-KollegInnen muss sich der schwedische Finanzminister nicht den Kopf über immer neue Sparpakete zerbrechen, sondern kann in der Freizeit seinen Lieblingsbeschäftigungen nachgehen: durch die Wälder streichen, Wild beobachten und mit seinen Kindern nach Beeren und Pilzen suchen.

Den Grund dafür werden deutsche Schweden-TouristInnen im Sommer zu spüren bekommen. Wenn sie ihren Euro in schwedische Kronen umtauschen, bekommen sie 15 Prozent weniger als 2009. Die Währung ist stark, das Wirtschaftwachstum liegt im ersten Quartal höher als in jedem anderen EU-Land und den USA. Und beim Staatsdefizit rangiert Schweden ganz unten auf der Liste.

Das liegt auch an Borg, der dem Druck der Autolobby widerstand und sich erfolgreich gegen eine Abwrackprämie wehrte. Und die Milliardenhilfe für die Banken hat er so konstruiert, dass die Staatskasse diese in den kommenden Jahren mit saftigen Zinsgewinnen zurückbekommt.

Der 42-jährige Wirtschaftswissenschaftler gilt als „the brain“ im schwedischen Kabinett. Nach acht Jahren als Bankmanager kam er 2002 in die Politik. Er gehört zu den Strategen, die Schwedens Konservative umpolten zu einer Partei, die die Grundlagen des Sozialstaats nicht mehr in Frage stellt und deshalb auch die Sozialdemokraten besiegen konnte. Immer nur an Arbeitsplätze statt an die Interessen der Unternehmer denke er, warf ihm kürzlich eine Mittelstandsvereinigung vor.

Als kreativ, ideenreich, intelligent und manchmal arrogant haben ihn auch seine EU-KollegInnen kennen gelernt. Zuvor war er 2006 bei seinen ersten Auftritten in Brüssel durch sein Äußeres aufgefallen: Pferdeschwanz und Ring im linken Ohr gehören nicht unbedingt zum Outfit in diesen Kreisen.

Ausländische Medien fanden das revolutionär. Dabei ist Borg grundsolide. Mit 16 Jahren zog er zu Hause aus und mit Sanna zusammen. Mit der ist er jetzt seit 24 Jahren verheiratet und das Paar hat drei Kinder. Familie sei für ihn das Wichtigste, sagt er. REINHARD WOLFF