Eine Kur für den Euro

FINANZKRISE EU-Finanzminister: Estland bekommt ab 2011 den Euro und die EU künftig eine engere wirtschaftspolitische Koordination

Teile des Reformpakets könnten an Deutschland scheitern

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Der Euro blieb am Dienstag auf einem historischem Tiefstand. Die EU-Finanzminister verbreiteten bei ihrem zweitägigen Treffen in Luxemburg dennoch Aufbruchstimmung. Estland soll 2011 den Euro bekommen. Dies soll dem Rest der Welt wohl demonstrieren, wie attraktiv die Einheitswährung noch ist.

Die Finanzminister der Eurozone einigten sich zudem auf Regeln für die neue Finanzgesellschaft, die von der Pleite bedrohte Euroländer unterstützen soll. Auch bei der geplanten engeren Abstimmung nationaler Wirtschaftspolitiken kam die Arbeitsgruppe unter Ratspräsident Herman Van Rompuy einen großen Schritt voran.

Alle 27 Mitgliedstaaten verständigten sich, den Stabilitätspakt zu stärken. Künftig soll Brüssel nicht nur bei zu hoher Neuverschuldung eingreifen, sondern auch die Gesamtverschuldung eines Landes berücksichtigen. Statt einer Abfolge blauer Briefe, an deren Ende die nie umgesetzten Vertragsstrafen stehen, soll die EU-Kommission ein abgestuftes Sanktionssystem entwickeln. Details nannte Van Rompuy nicht. Die 27 Finanzminister verpflichteten sich auch, für die Unabhängigkeit ihrer nationalen Statistikbehörden zu sorgen. Bereits am Nachmittag hatten die 16 Finanzminister der Eurozone die Kompetenzen des EU-Statistikamtes Eurostat erweitert. Die europäische Behörde soll künftig direkt auf die Haushaltsdaten von nationalen Regierungen, Bundesländern und Gemeinden sowie der Sozialversicherungen zugreifen können. Jahrelang hatten sich vor allem Frankreich und Deutschland dagegen gewehrt. Seit aber klar ist, dass die griechischen Statistiker nicht nur beim Eurobeitritt, sondern auch danach jahrelang falsche Zahlen nach Brüssel gemeldet haben, ist die Reformbereitschaft gewachsen.

Die Mitgliedstaaten stimmten auch einer engeren wirtschaftspolitischen Koordinierung im Grundsatz zu. Jedes Frühjahr sollen alle Mitglieder der Wirtschaftszone die den nationalen Haushalten zugrunde liegenden Prognosen über Wachstum, Einnahmen und Ausgaben prüfen und diskutieren können. „Danach bleibt genug Zeit, um Korrekturen vorzunehmen“, erklärte Van Rompuy. Für die Haushaltsausschüsse der Parlamente werde die Arbeit durch die Kritik auf Augenhöhe erleichtert. Die Abgeordneten sehen das anders. Der Vorschlag hatte im Bundestag bereits Protest quer durch die Parteien provoziert.

Länder, die im internationalen Wettbewerb nicht mithalten können, sollen von den anderen Regierungen einen „Weckruf“ erhalten. Reformdefizite sollen von der Kommission mit einem abgestuften Sanktionssystem geahndet werden. Warnungen für zu produktive Musterschüler wie Deutschland, wie sie die französische Finanzministerin Christine Lagarde gefordert hatte, soll es aber nicht geben. Dennoch könnten Teile des Reformpakets am Deutschland scheitern. Gegen die neue europäische Finanzgesellschaft sind beim Bundesverfassungsgericht mehrere Klagen anhängig.