BÜRGERAMTSROMANTIK
: Auge des Betrachters

Small Talk auf dem Bürgeramt!

Es regnet, was das Zeug hält. Das Bürgeramt auf der Karl-Marx-Allee ist wie leergefegt. Die Angestellten, sonst mit sozialer Kommunikation überfordert, sind dementsprechend gut gelaunt. Um nicht zu sagen: blendend aufgelegt. Es fängt schon beim Fotografen an, der biometrische Fotos für den neuen Pass schießt und bei der Vermessung netten Small Talk betreibt. Auf dem Bürgeramt! Das Paar schüttelt verwundert den Kopf.

Im Zimmer dann die übliche Sachbearbeiterinnenromantik: hinter der einen Dame hängen Fotos von Blumen, hinter der anderen von Stränden an der Wand. Auf die Bilderrahmen ist jeweils eine Muschel geklebt. Am Wandschrank lachen George Clooney und Brad Pitt, die beiden Damen kichern und scherzen. Das Paar macht mit. Sprechen über das Kind, das bald kommt, „Hauptsache, nicht an Weihnachten“, sagt die Sachbearbeiterin, schon im Oma-Alter, „da habe ich Geburtstag, war immer doof als Kind. Kamen die anderen, ham den Kuchen jefuttert und sind gleich wieder gegangen!“

„Hören Sie mal“, schäkert der Mann, „meine Frau hat doch keine braunen Augen, wie es im Pass steht! Die sind doch eindeutig grün!“ „Meinen Se?“, sagt die Dame und schaut in grünbraune Augen. „Na, wenn Se auf Frauen mit grünen Augen stehen, bitte!“ Und tippt am Computer. Das Paar ist so euphorisiert, dass es weiter durchs Haus zieht und Vaterschaftserklärung, Elterngeld und Parkausweis abhakt.

Ein paar Wochen später: „19 Besucher warten vor Ihnen“, schlechte Luft im Wartezimmer, miese Stimmung im Gebäude. Platz 16 und voilà, zuständige Sachbearbeiterin ist das Christkind mit den Strandfotos an der Wand. Das neugeborene Kind braucht einen Pass. „Augenfarbe?“, fragt sie in das stille Zimmer und blickt in noch undefinierbare blaugraue Kulleraugen. Hört nicht hin und tippt. Hinterher steht im Kinderpass „Augenfarbe: grünbraun“. MIRIAM JANKE