Schwuler besiegt Hitler-Fan

SCHÖNEBERG Einemstraße wird morgen zu Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße

Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg ehrt einen Urvater der Schwulenbewegung: Am Dienstag wird der Schöneberger Abschnitt der Einemstraße – zwischen Kurfürstenstraße und Nollendorfplatz – in Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße umbenannt. Der nördliche Abschnitt, der zum Bezirk Mitte gehört, trägt vorerst weiter den Namen des preußischen Generals und frühen Hitler-Fans Karl von Einem.

Initiiert haben die Umbenennung der Schöneberger Rechtsanwalt Dirk Siegfried und Gerhard Hoffmann, ein Mitbegründer des einstigen Cafés Anderes Ufer, Schwulenaktivist und Künstler. Die Idee sei ihnen vor vier Jahren gekommen, berichtet Hoffmann. Sie wollen mit der Umbenennung den Mann ehren, der sich vor knapp 150 Jahren dafür einsetzte, dass Sex unter Männern nicht bestraft werden sollte – und der sich offen dazu bekannte, dass er auf Männer stand. Anders als viele seiner Zeitgenoss_innen sah Ulrichs dies als vollkommen natürlich an und forderte andere dazu auf, sich nicht länger zu verstecken.

Eigentlich sollte die Straße in einem Rutsch umbenannt werden. Doch zwei Bezirke, das bedeutet zwei unabhängige Verfahren. Auch die BVV stimmte Mitte des vergangenen Sommers für die Umbenennung, doch das könnte jedoch scheitern – an der eigenen Vorgabe, dass Straßen und Plätze so lange nach Frauen benannt werden, bis Gleichstand mit den Männern besteht.

Laut Harald Büttner, Leiter des Tiefbau- und Landschaftsplanungsamts Mitte, könnte sich das Verfahren wegen der Widersprüche von Anwohner_innen noch monatelang hinziehen. Sollten die Widersprüche zurückgewiesen werden, stünde den Betroffenen der Gang vor das Verwaltungsgericht offen.

Im Alleingang

Vier Jahre hat sich Gerhard Hoffmann für die Umbenennung engagiert und Überzeugungsarbeit geleistet bei Politiker_innen. „Irgendwann ist auch mal gut“, sagt er. Er ist froh, dass Tempelhof-Schöneberg die Straße auch im Alleingang umbenennt. Der Frauenvorgabe kann er wenig abgewinnen: „Der Geschlechterkampf darf nicht auf dem Rücken der schwulen Männer ausgetragen werden.“ Ulrichs selbst habe die Menschen, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit unter Diskriminierung zu leiden hatten, zu gegenseitiger Solidarität aufgerufen.

Ganz anders Karl von Einem, nach dem die Straße seit 1934 heißt. Er begann 1870 seine Karriere beim preußischen Militär, von 1903 bis 1909 war er Kriegsminister und später General im Ersten Weltkrieg. Zwei Gutachten von Historikern zur Figur von Einem fallen vernichtend aus: Der bisherige Namenspatron der Straße sei antidemokratisch, antisemitisch und homophob gewesen. Drei Jahre vor seinem Tod im Jahr 1934 war er zugunsten faschistischer Bewegungen von seiner monarchistischen Einstellung abgerückt – Zitat: „Die heiße Leidenschaft eines Hitler, die Aufbauarbeit der Stahlhelmführer haben mich anders denken gelehrt. Ihr Weckruf hat mich getroffen.“ KIM TRAU