Journalismus ohne braunen Umschlag

JUBILÄUM Die Deutsche Welle sendet seit 50 Jahren erfolgreich auf Hausa, der Verkehrssprache im Norden Nigerias. Nun haben auch die Chinesen den riesigen nigerianischen Radiomarkt entdeckt

Journalisten haben keinen guten Ruf in Nigeria. Sie gehen fast ausschließlich zu Pressekonferenzen und erhalten anschließend einen Umschlag mit Geld

AUS ABUJA KATRIN GÄNSLER

In dem Städtchen Seme, das die Länder Nigeria und Benin verbindet, kennt es jeder Grenzbeamter: das Hausa-Programm der Deutschen Welle. Deutsch, Deutsche Welle, Hausa, so lautet hier die Ableitung, sobald einer der Beamten einen deutschen Pass in seinen Händen hält. Dabei liegt die Hauptstadt Abuja, von wo aus Hausa langsam zur Lingua franca des Nordens wird, mehr als 800 Kilometer entfernt. Doch die große Mehrzahl der Grenzer kommt aus dieser Region, hat in den Büros kleine Radios auf Schreibtischen stehen und schaltet ein.

Und das seit Jahren und Jahrzehnten. 1963, drei Jahre nachdem Nigeria unabhängig wurde, ging das Programm erstmals auf Sendung, und heute ist es fester Bestandteil der nigerianischen Medienlandschaft. In Nigeria ist Hausa die wichtigste Verkehrssprache des Nordens. Dreimal täglich sind die Sendungen in Nigeria sowie dem Nachbarland Niger – auch dort ist Hausa weit verbreitet – zu hören. Auch in Zeiten des Internets ist das Interesse ungebrochen geblieben. Noch immer sitzen an jeder Straßenecke Menschen, die kleine Radios in den Händen halten und die Lautsprecher fest ans Ohr pressen.

„37 Prozent der Hörer in unserer Zielgruppe schalten uns regelmäßig ein“, sagt Thomas Mösch, Leiter des Hausa-Programms in Bonn, während der Festveranstaltung zum 50-jährigen Bestehen in Abuja über die aktuellen Hörerzahlen. Die Zielgruppe ist nach der jüngsten Untersuchung 18 bis 40 Jahre alt. Im Vergleich zur vorherigen Untersuchung sei das ein Plus.

Neben Nachrichten aus und über Nigeria und Deutschland soll nun auch das Bildungsprogramm für Jugendliche und junge Erwachsene ausgebaut werden. In einer 52-teiligen Radio-Soap mit dem Titel „Crossroads“ müssen sich die vier junge Protagonisten mit so ziemlich allem auseinandersetzen, was sie im Leben erwarten kann: Gewalt im Elternhaus, Drogenkonsum oder eine ungewollte Teenagerschwangerschaft.

Gesendet wird die Serie nicht nur in Hausa, sondern auch in Swahili, Amharisch, Englisch, Französisch und Portugiesisch, den übrigen Programmsprachen für den afrikanischen Kontinent, wo die Deutsche Welle weiterhin besonders häufig gehört wird: Mehr als die Hälfte der 100 Millionen Zuhörer zwischen Kairo und Kapstadt schaltet ihre Radiogeräte ein.

Ein Grund dafür ist, dass die Berichterstattung als unabhängig gilt und nicht als sogenannter Brown Envelope Journalism, der in Nigeria nur allzu oft praktiziert wird. Das bedeutet: Viele Journalisten beschränken sich bei der Ausübung ihres Berufs auf den Besuch von Pressekonferenzen. Dort erhalten sie anschließend einen Umschlag mit Geld. Offiziell soll das die Transportkosten decken. Pressetermine, bei denen die Veranstalter von diesen Spielregeln abweichen und nichts bezahlen, sind allerdings schlecht besucht.

Allerdings sendet nicht nur die Deutsche Welle auf Haussa; auch Voice of America, Radio France Internationale und die BBC tun das. Neuerdings haben auch die Chinesen den Markt für sich entdeckt. China Radio International hat ebenfalls Sendungen auf Haussa ins Programm aufgenommen. „Sie sind sehr aktiv und haben viele Chinesen, aber auch ein paar Nigerianer, die für das Programm arbeiten“, sagt Abubakar Jijiwa, Generaldirektor von Voice of Nigeria, einem der Partnersender der Deutschen Welle. Er betrachtet die Entwicklung mit gemischten Gefühlen. „Ich hoffe, es geht um den Austausch von Kultur und Ideen. Ich bin aber auch besorgt, dass es eine zweite Runde der Kolonialisierung werden könnte.“ Diese Sorge hat er bei der Deutschen Welle nicht. „Wenn ich das Programm anstelle, finde ich das immer sehr anregend.“