Die Stimmen der Täter

„Beim Vierten beginnt das Töten Spaß zu machen“: In der Doku „Das Massaker“ (Mi. 23.15 Uhr, WDR) sprechen sechs Täter über die Morde in den Palästinenserlagern Sabra und Shatila von 1982

Von Hannah Pilarczyk

Es wirkt wie eine Übung im Deklinieren: „Dieser Kleine wird mich irgendwann erschießen, besser, ich töte ihn gleich. Diese Frau wird Kinder haben, besser, ich töte sie vorher. Dieser Mann könnte Vater werden, lieber bringe ich ihn um.“ Irgendwann haben die Männer der „Forces Libanaises“ die Grammatik des Tötens verinnerlicht. Und dann wenden sie sie an.

Vom 16. bis 18. September 1982 richten die libanesischen Milizionäre ein Massaker in den Beiruter Palästinenserlagern Sabra und Shatila an. Angestachelt durch den Mord an Ministerpräsident Gemayel und geleitet durch einen Teil der israelischen Armee, foltern, vergewaltigen und verstümmeln sie die Bewohner der Camps. Schätzungen über die Opferzahlen reichen von 300 bis 2.000 getöteten Männern, Frauen und Kindern.

Über zwanzig Jahre später sprechen sechs der Täter über die Blutorgie. Die Autoren Monika Borgmann, Lokman Slim und Hermann Theissen haben ihre Aussagen zu einer verstörenden Collage angeordnet – ohne Kommentar. Nur die Stimmen der Schlächter erklingt, und sie erzählen von Unfassbarem. Die Gesichter der Interviewten liegen dabei durchweg im Schatten, die Räume, in denen sie sich der Kamera stellen, sind gefängniszellenhaft karg, Farbfilter sorgen für zusätzliche Stilisierung. Doch was formal so streng inszeniert wirkt, verweigert sich der dramatischen Auflösung. Die Tat wird nicht bis ins Detail rekonstruiert, die Täter können sich nicht endgültig erklären. Einer sagt, durch westliche Gewaltfilme, die sie als Jugendliche gesehen hatten, hätten sie nicht zwischen Spiel und Realität unterscheiden können – und dann seien die Hemmungen sowieso gefallen: „Man tötet den Ersten widerstrebend, beim Zweiten und Dritten fällt es schon leichter. Beim Vierten beginnt es Spaß zu machen.“

Quälend ist dieser Film – auch für die Interviewten, die immer wieder betonen, wie schwer es ihnen falle, über das Massaker zu sprechen. Doch selbst da mag kein Verständnis für sie aufkommen. Denn was nennt einer der Täter als Alternative zum Gespräch mit den Autoren: „Ich würde lieber in den Krieg ziehen, als über die Ereignisse von damals sprechen.“