die taz vor 13 jahren über das ende des grünen pazifismus
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Der erste Länderrat nach der Vereinigung mit dem Bündnis 90 verabschiedete am Wochenende eine Erklärung, in der das bisherige Bekenntnis prinzipiell gewaltfreier, internationaler Konfliktlösung mit der Forderung nach „internationaler Einmischung zum Schutz der Menschenrechte“ ergänzt wird. Dem Prinzip der Gewaltfreiheit müsse mit dem Schutz der Menschenrechte „ein gleichrangiges Prinzip“ zur Seite gestellt werden, heißt es in dem Antrag, der nach mühsam-unübersichtlicher Kompromißsuche mit zwanzig zu zehn Stimmen angenommen wurde.

Zwar gilt, so der Beschluß, nach wie vor, daß Militär und Interventionsstreitkräfte einen Konflikt nicht politisch lösen und zivile Strategien nicht ersetzen könnten; dennoch seien Konfliktsituationen denkbar, in denen erst die Anwendung von militärischem Zwang „den Raum für friedliche Streitschlichtung“ schaffe. Zwar dürfe es auch in Zukunft keine „generelle Einsatzoption“ für die Bundeswehr geben, doch „humanitäres Eingreifen im Rahmen der Vereinten Nationen muß in Einzelfällen nach einer parlamentarischen Abstimmung möglich sein“.

In Bosnien-Herzegowina, so der Länderratsbeschluß, könne „nicht jeder Einsatz von Zwang und Gewalt von vornherein völlig ausgeschlossen werden, um im Sinne einer Notwehr und Nothilfe das nackte Überleben der Menschen zu sichern“. Gegen den bisherigen grünen Einwand, internationale Einmischung zum Schutz der Menschenrechte führe zu einer Relegitimierung des Militärs, argumentierte der Länderrat am Wochenende, erst die widerstandslose Hinnahme des serbischen Eroberungskrieges lasse Krieg wieder als „taugliches Mittel zur Durchsetzung hegemonialer Ambitionen“ erscheinen. Entscheidend dürfte am Wochenende die dramatische Situation im zentralbosnischen Kriegsgebiet gewesen sein, die auf den „systematischen Völkermord“ an den muslimischen Einwohnern hinauslaufe. Matthias Geis, 14. 6. 93