Straßenkampf um Sperrmüll

ABFALL Finanziell lukrativ, für die Umwelt gefährlich: Kommunen streiten sich mit privaten Schrottsammlern um Elektroschrott

Laut Umweltbundesamt werden 150.000 Tonnen Elektroschrott pro Jahr illegal von Deutschland in Entwicklungsländer verschifft

VON JOACHIM GÖRES

Darf man aus dem Sperrmüll am Straßenrand Dinge mitnehmen? „Streng genommen macht sich jeder strafbar, der aus dem Sperrmüll etwas entfernt“, sagt Dagmar Schmiedner, Sprecherin des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Celle. Aber normalerweise sagt niemand was dagegen. „Wir haben nur was gegen Leute, die dort richtig abräumen und damit Geld machen wollen.“

Es geht vor allem um kaputte Elektrogeräte, deren Verkauf sich für professionelle Sammler angesichts hoher Rohstoffpreise für Altmetalle lohnt. In 40 Prozent aller Fälle sind die rausgestellten Elektrogeräte und Metallwaren im Landkreis Celle schon weg, wenn die Müllabfuhr anrückt. Doch das Elektrogesetz schreibt laut Zweckverband vor, dass, abgesehen von den Herstellern oder Vertreibern, nur öffentlich-rechtliche „Entsorgungsträger“ ausgediente Waschmaschinen, Herde, Trockner oder Computer sammeln dürfen.

„Wer Sperrmüll auf verwertbare Stoffe durchsucht oder Gegenstände entfernt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 5.000 Euro geahndet werden kann.“ Diesen Aufkleber mit einem großen Stopp-Zeichen hat der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises Leer an seine Kunden verschickt, damit sie ihn bei Sperrmüllsammlungen auf Kühlgeräte, Elektroherde oder Fahrräder kleben. „Es geht uns in erster Linie darum, etwas gegen die Umweltschäden und das Chaos zu tun, dass illegale Sammler auf den Bürgersteigen hinterlassen“, sagt Vertriebsleiter Günter Roeden.

Chaos entsteht, weil die Bürgersteige durch die Suche nach metallhaltigen Teilen oft kaum noch passierbar sind. Oft werden Kühlschrank-Kompressoren gleich vor Ort ausgebaut. Bei alten Geräten werden so klimaschädliche Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) freigesetzt – pro Kühlschrank wird das Klima dabei genauso so geschädigt wie bei einer 20.000 Kilometer langen Fahrt eines Dieselautos. Nach Schätzungen des Entsorgers Noex wird in Deutschland jedes Jahr in 480.000 Fällen der Kompressor umweltschädlich entfernt.

Da der Kreis Leer beispielsweise sein gesammeltes Altmetall selber verkauft, entsteht ihm bei geringeren Elektroschrott-Mengen auch ein finanzieller Schaden – der für 2012 auf immerhin 12.000 Euro geschätzt wird. „Wir können unsere Gebühren nur halten, wenn wir Einnahmen in der bisherigen Größenordnung erzielen“, sagt Roeden.

In Garbsen bei Hannover geht man einen anderen Weg. Dort hat man es mit Sammlern zu tun, die am örtlichen Wertstoffhof Bürger ansprechen, die dort kostenlos alte Kühlschränke oder Fernseher entsorgen wollen. „Sie geben sich als mittellos aus und erzeugen so den Eindruck, dass sie etwas Gutes tun, wenn sie ihnen ihr altes Gerät schenken. Dabei geht es nur um den Weiterverkauf bestimmter Teile“, sagt Stefan Schlutter, Sprecher der Abfallwirtschaft Region Hannover. „Der Rest wird wild in der Gegend entsorgt und wir müssen wieder anrücken, um den Müll wegzuräumen.“

Zusammen mit der Stadt Garbsen hat die Abfallwirtschaft Region Hannover gerade eine zehntägige Aktion vor dem Wertstoffhof beendet, bei der Bürger aufgefordert wurden, ihre alten Elektroartikel nicht den „Schrottabgreifern“ zu überlassen, damit wertlose Teile nicht in der Natur landen. „Die Resonanz war positiv. Wir können nur an die Menschen appellieren“, sagt Schlutter. Denn das private Schrottsammeln sei nicht illegal.

Auch in Celle argumentiert man nicht nur juristisch, zumal die Abholung der alten Waschmaschine durch den Zweckverband 15 Euro kostet und es billiger ist, das Angebot der kostenlosen Entsorgung durch „Bastler“ anzunehmen. In Celle ruft man deshalb in Erinnerung, dass über 150.000 Tonnen Elektroschrott pro Jahr illegal von Deutschland in Entwicklungsländer verschifft werden. Auf riesigen Müllhalden in Afrika suchen Kinder und Jugendliche nach Computerkabeln aus Kupfer, um sie zu verkaufen. Dafür müssen sie zunächst die Isolierung aus Kunststoff verbrennen. Das erzeugt giftige Dämpfe.

Der Zweckverband Abfallwirtschaft indes sorgt dafür, dass Elektroschrott hierzulande sicher zerlegt und recycelt wird. Das ist zwar etwas teurer, aber gut fürs Gewissen.