Nach dem Kahlschlag

In der Slowakei dürften heute die Linken die Wahlen gewinnen. Rechte Regierung unbeliebt

AUS PRAG ULRIKE BRAUN

Vorgezogene Wahlen entscheiden heute in der Slowakei, ob der Ministerpräsident und Ausdauersportler Mikulas Dzurinda sein Rennen beenden darf. Umfragen zufolge werden sich die Wähler gegen den liberalen Reformkurs von Dzurinda entscheiden: Die sozialdemokratische Opposition unter dem 41-jährigen Robert Fico und seiner Partei „Smer“ (Richtung) liegen bei rund 30 Prozent, Dzurindas „Slowakische Demokratische und Christliche Union“ (SDKU) dagegen nur bei knapp 15.

Es scheint, dass nach Jahren harter Reformen die Slowaken zwar den Wechsel wollen. Ob der eintrifft, hängt aber nicht so sehr vom Wahlergebnis als von den Koalitionsverhandlungen ab. „Für die Slowakei beginnt nun die dritte Phase“, schreibt der französische Politologe Jacques Rupnik in der slowakischen Tageszeitung Pravda. „Welche Demokratie, welche Marktwirtschaft sie will: eher angelsächsisch oder eher kontinental.“

Unter Dzurinda, der das Land seit 1998 als Vorsitzender einer bunten Koalition aus Rechtsliberalen, Christdemokraten und der ungarischen Minderheit regiert hat, war der Weg klar: eine reine Marktwirtschaft, dazu Korruption und Klientilismus. Prominentes Beispiel: Arbeitsminister Ludovit Kanik musste Ende vergangenen Jahres den Hut nehmen, weil er staatliche Aufträge an Freunde und Verwandte verteilt hatte und mittels eines Familienunternehmens EU-Strukturfonds anzapfen wollte.

So peinlich solche Korruptionsfälle für die Dzurinda-Regierung auch gewesen sein mögen, Wahlkampfthema Nummer eins bleiben ihre Reformen. Was das soziale Netz der Slowakei anbelangt, hat Dzurinda seit seiner Wiederwahl vor vier Jahren einen Rundum-Kahlschlag angestellt. Arbeitslosengeld und Sozialhilfe wurden gekürzt, dafür führte eine Gesundheitsreform Gebühren für Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte ein. Eine Rentenreform verpflichtete die Slowaken, sich ein zweites Standbein bei privaten Rentenkassen zu sichern.

Am spektakulärsten war die Einführung der Einheitssteuer. In einer umfassenden Steuerreform vor zwei Jahren führte die Regierung eine „Flat-Tax“ von 19 Prozent ein und schaffte Erbschafts- und Schenkungssteuer ab. Davon profitieren vor allem Einkommensgruppen vom oberen Mittelstand aufwärts. Gering Verdienende hatten sowieso einen niedrigen Steuersatz, aber sie spüren dafür umso mehr die Mehrwertsteuererhöhung, die jetzt teilweise 14 Prozent beträgt.

Wahlfavorit Robert Fico an verspricht nun, die Flat-Tax größtenteils aufzuheben. Beibehalten will er sie nur noch für ausländische Investoren, ohne die die Slowakei kaum ihr Wirtschaftswachstum aufrechterhalten könnte. „Sobald wir die Wahlen gewinnen, heben wir die Reformen auf, die nicht funktionieren“, lautet Ficos liebster Spruch während der Wahlkampagne.

Das Problem ist, dass er mit diesem Versprechen so ziemlich allein dasteht. Sämtliche mögliche Koalitionspartner wollen an den wichtigsten Reformen festhalten – die Christdemokraten (KDH), Dzurindas SDKU, die „Partei der Ungarischen Koalition“ (SMK) und selbst die „Bewegung für eine demokratische Partei“ des einstigen Machtpolitikers Vladimir Meciar.